Zweikampf

17. Mai 2013

Es läuft alles fast zu gut an, um wahr zu sein. Einen Kontakt zu einem Anwalt hat Mondheim mir auch beschafft. Er selbst schaut am Dienstag Morgen kurz bei mir vorbei, und nachdem der Chef keine Kritik äußert an dem, was ich zu berichten habe, wird wohl alles schon so seine Ordnung haben.

Der Anwalt mault zwar ein wenig und jammert mir etwas von seinen 16-Stunden-Tagen vor – ob er die Mittagessen auch als Arbeit ansieht? -, aber er verspricht, mir eine kurze Zusammenfassung zu den rechtlichen Themen in Zusammenhang mit SM zu liefern.

SM als Körperverletzung beziehungsweise eben keine, infolge des partnerschaftlichen Einverständnisses, und Jugendschutz. Mit ein wenig Schmeichelei bekomme ich auch noch einen dritten Artikel – über SM in Zusammenhang mit Arbeits- und Familienrecht. Was tun, wenn der Arbeitgeber es mitbekommt und kündigen will. Oder wenn die heißgeliebte Ehefrau, die lange genug die brave Sklavin war, dem Jugendamt etwas von den perversen Gelüsten ihres Dom erzählt und die Gefahr besteht, dass er seine Kinder nicht mehr sehen darf.

Wann die drei Teile fertig sind, kann er mir nicht versprechen. Kein Problem – noch steht ja gar nichts, da muss ich mir keine Sorgen machen, wenn er ein wenig Zeit braucht, um das Gerüst zu füllen, das ich erst noch aufbauen muss.

Am Dienstag Nachmittag kann ich die ersten Galerien zusammenstellen. Da die Bilderseite wahrscheinlich eine der meistbesuchten werden wird, gebe ich mir ganz besondere Mühe. Mit den Bildern, die ich ausgesucht habe, macht das aber auch Spaß. 08/15 kommt mir nicht in das Portal. Lieber gefühlvolle Laienarbeit als glatte Nichtigkeiten. Für den Anfang gibt es aber genügend Fotografen, die die Emotionen ansprechen und gleichzeitig ihr Handwerk verstehen. Echte Kunst eben.

Danach steht eine erste Besprechung mit einem Grafiker an. Der Grafiker ist eine Grafikerin und gefällt mir ausgesprochen gut. Viel blau will ich haben, ein angenehmes, sanftes Blau. Kein rot auf schwarz; und die Texte ganz herkömmlich in schwarz auf ganz hellem Grau oder sonst einer hellen Farbe, die sich nur unwesentlich von weiß unterscheidet. Professionell soll das Design aussehen, nicht nach handgestrickter Mini-Homepage. Und die Grafiken, die es aufpeppen, sollen sich zurückhalten und nicht das Gesamtbild dominieren. Die Texte sind das eigentlich Wichtige an dem Auftritt. Sie sollen angenehm eingebettet sein in den grafischen Teil, aber nicht untergehen.

Zusammen stellen wir etwas auf die Beine, zunächst nur auf Papier, was gar nicht schlecht aussieht. Sie wird es aufbereiten und nächste Woche wiederkommen.

Ich freue mich schon auf den Tag, wenn das Layout steht. Dann kann der kleine Siebert es nämlich einprogrammieren in mein CMS. Ich liebe eine Software, die Inhalte und Layout trennt. So kann ich einfach drauflos schreiben, und die eigentliche Arbeit hat ein anderer. Er wird bestimmt fluchen – aber wen interessiert das.

Am Dienstag Nachmittag schon erreicht mich ein Mail von Teermann. Mit Anhang – mehrere MB Text. Es gibt so gut wie nichts, zu dem dieser Mensch sich nicht geäußert hätte. Sein Stil ist sehr trocken, aber gut lesbar, finde ich. Es wäre wirklich schade, wenn das alles nur in unserem Portal auftauchen würde und nicht auch als Buch. Bis Donnerstag bin ich damit beschäftigt, Ordnung in den Wust zu bringen. Nicht dass er die Texte einfach zusammenhanglos aneinandergeklatscht hätte – aber es ist eben eine andere Ordnung als die, die ich für meine Zwecke brauche. An diesem Abend habe ich eine wunderschöne Sammlung medizinischer Informationen fertig. Es sind nur die Einführungen in die eigentlichen Themen – aber wer mehr wissen will, soll ja auch das spätere Buch kaufen. Das Wichtigste ist jedenfalls drin. Sogar zu SM und Schwangerschaft hat er etwas geschrieben, und zur psychologischen Seite einer Trennung. Der Mann ist eine wahre Goldgrube. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, seine mühsame, umfassende Arbeit so schamlos auszunutzen.

Ich muss unbedingt auch etwas für ihn tun.

Spontan rufe ich Mondheim an. Das erste Mal. Ihn selbst kriege ich natürlich nicht gleich an den Apparat; ich habe lediglich die Nummer seiner Hauptsekretärin, die angeblich immer weiß, wie man ihn erreichen kann. Fünf Minuten später ruft er zurück und verspricht, sich um einen Verleger zu kümmern, oder den Selbstverlag zu organisieren.

Schön, wie einfach das alles geht, wenn man an den richtigen Hebeln dreht.

Sein Dankesmail hat Teermann schon, und nun kriegt er noch eine Einladung zum Abendessen obendrauf, für den Montag der kommenden Woche. Er reagiert so erfreut, als täte ich ihm einen Gefallen und nicht umgekehrt.

Am Freitag trifft der erste Artikel von Gastner an, dem Anwalt. Seine Ausdrucksweise ist hanebüchen. Wären wir ein Juristenportal, ginge es vielleicht noch. Obwohl ich sicher bin, dass auch nicht alle Kollegen seine Schachtelsätze und Pleonasmen verstehen. Glücklicherweise hat er mir erlaubt, die Artikel „redaktionell zu überarbeiten“. Selbst schuld. Er wird das fertige Werk kaum noch wiedererkennen. Nun ja, die sachlichen Inhalte sind ja die Gleichen geblieben.

Das zweite Wochenende im neuen Job wird weit weniger ruhig. Das liegt aber nicht an meiner Umgebung – es passiert nichts, überhaupt nichts -, sondern an mir. Das erste Mal lassen die Gedanken an Deinar sich nicht so zurückdrängen, wie ich das gerne möchte.

Als Ablenkung gibt es nur eines – Arbeit. Ich schreibe an meinem persönlichen Bericht weiter, aus dem inzwischen schon der zweite geworden ist. Außerdem werde ich unverschämt und frage bei Teermann an, ob er mir nicht auch so etwas liefern will. Es bleibt ja alles anonym; und solange er seinen Beruf nicht verrät, kann ihm nichts passieren. Sein Antwortmail kommt prompt. Begeistert ist er nicht, aber er wird es versuchen. Sehr schön.

Nach diesem Erfolg fällt es mir leicht, ein paar meiner alten Bekannten aus der hiesigen Szene mit demselben Wunsch zu überfallen. Wäre doch gelacht, wenn dabei nicht eine hübsche kleine Sammlung herauskommen würde.

Dann begebe ich mich auf Storysuche. Und stelle fest – ich hasse Liebesgeschichten. Und Geschichten nur mit Sex finde ich einfach widerlich. Das wird noch ein schönes Stück Arbeit, da etwas zu finden, was in das Portal passt, so wie ich es mir vorstelle.

Wie kommt es, dass so viele erotische Situationen beschreiben völlig losgelöst von jedem Alltagsleben, in das sie doch immer eingelagert sind? Wie kommt es, dass literarisch (soweit dieser Euphemismus überhaupt Anwendung findet) jede, aber auch jede SM-Session ein durchschlagender Erfolg ist? Noch die verrückteste Praktik löst immer nur eines aus – einen Erguss. Gut, ein paar Beschreibungen von Rollenspielen finden sich, da werden die Berichte über Schwanzgröße und –länge immerhin durch niedliche Kostümbeschreibungen ergänzt. Aber auch das ist es nicht, was ich suche.

Es ist fast Satire, wie hier beispielsweise jemand unglaubliche Mühe auf die Beschreibung einer Fesselmethode verwendet, die höchstens ein Schlangenmensch länger als zwei Sekunden durchhalten könnte, wie dort der Samen strömt, nur weil sie eine unerträglich dumme Kuh ist, die nichts anderes kann als lächerliche Anweisungen erteilen. Er gräbt ein Loch, nackt, in der Mittagshitze, zwei auf einen Meter und zwei Meter tief, und am nächsten Tag schüttet er es wieder zu. Passierte das bei der Bundeswehr, gäbe es schlicht eine Rebellion. Und den Mann, der den Unsinn widerspruchslos mitmacht und mir dafür noch das eigene Gespritze von den Stiefeln küsst (wer, bitte, trägt in der Hitze Stiefel?), den müssen Sie mir zeigen.

Mit Liebe hat das alles nichts zu tun; das ist einfach nur Technik pur, und saudumme Technik im Zweifel noch dazu.

Ich will Geschichten, die lebendig sind und realistisch. Die das restliche Leben, das ohnehin im Zweifel das Übergewicht hat, nicht aussperren, sondern mit einbeziehen. Und ich will keine heile SM-Welt. Warum schreibt niemand über die erfolglose Partnersuche? Über einen missglückten Beziehungsanfang? Warum wird immer alles so deutlich ausgesprochen, dass einem jeder Appetit vergeht, statt dass man andeutet und alles andere der Fantasie der Leser überlässt? Warum können nur so wenige wirklich schreiben von denen, die sich einbilden, SM-Autoren zu sein?

Aber vielleicht wollen die Leute genau das lesen; vielleicht sind sie ebensolche Dünnbrettbohrer wie die Schreiber/innen. Meinetwegen. Dann sollen sie sich eine andere Internetseite aussuchen.

Zwei Geschichten finde ich nach vielen Stunden, nach denen ich mir vorkomme, als hätte ich meterweise Pappmachee gegessen, die gefallen mir richtig gut. Ein Autor, eine Autorin. Die sich noch am Sonntag über ein Mail von mir freuen werden. Oder auch nicht; mal sehen.

Der Montag beginnt mit einer überraschend anberaumten Besprechung. Mondheim, Jakob, Deinar. Den Auftakt soll mein Kurzbericht über die Ergebnisse der ersten Tage bilden. Wie gut, dass ich improvisieren kann. Mondheim und Jakob zeigen sich höchst zufrieden, und wie aufs Stichwort platzt gleich die Grafikerin herein mit einem Ausdruck einer Probeseite. Die ich zunächst einmal allerdings nur über Mondheims Schulter zu sehen bekomme, der das Blatt gleich an sich gerissen hat. Sieht wirklich klasse aus, finde ich, und damit bin ich nicht allein.

Komisch – wieso läuft das alles so reibungslos? Wieso gibt es keine Diskussion, keinen zweiten, dritten, vierten Entwurf? Wieso schluckt Mondheim alles so einfach, was ich ihm vorsetze? Das macht mich misstrauisch. Fast komme ich mir vor wie Caesar – veni, vidi, vici. Glücklicherweise bremst das Bewusstsein meine Überheblichkeit, dass der Erfolg des Portals nicht daran zu messen ist, wie schnell und glatt es zu seiner Premiere kommt, sondern wie viele Besucher es später haben wird.

Deinar sieht mich die ganze Zeit nicht ein einziges Mal an; jedenfalls nicht, wenn ich zu ihm schaue. Er sagt auch nicht viel. Am Anfang. Sein Auftritt kommt erst später.

Nachdem die Grafikerin unter Hinterlassung einer CD weggeschickt worden ist – ich freue mich jetzt schon auf das Gespräch mit Siebert später – herrscht einen Augenblick Stille. Dann räuspert er sich. „Und welche Überlegungen hast du im Hinblick auf eine Finanzierung des Portals angestellt?“

Mondheim beäugt mich interessiert, Jakob betrachtet lieber seine Schuhspitzen. Aha – das ist also der Haken dabei. Die Männer haben das dumme Frauchen eine Weile vor sich hin wursteln lassen und sind nun versammelt, ihr die Flügel zu stutzen. Ich komme mir vor wie in einen Hinterhalt geraten. Es war bislang keine Rede davon, dass das Projekt Geld abwerfen soll. Wie soll denn das auch gehen? Und vor allem, wie soll das gehen gleich vom ersten Tag an?

Angriff ist die beste Verteidigung, sage ich mir. „Entweder bist du falsch informiert, Martin – oder ich bin es. Nach den Informationen, die ich habe, bin ich von einem zunächst jedenfalls kostenlosen Portal ausgegangen. Entsprechend sieht auch mein Konzept aus – das bisher, wenn ich das recht verstanden habe, ja durchaus auf Zustimmung gestoßen ist. Jedem, der auch nur ein wenig von der Sache versteht, muss klar sein, ein Konzept für eine kommerzielle Seite sieht ganz anders aus – und zwar von Grund auf. Wenn das also gewünscht ist, Herr Mondheim, dann hätten Sie mir das sofort sagen müssen. Ich bin etwas erstaunt, davon erst jetzt zu hören. Sie wissen sicherlich, unter diesen Umständen lässt sich das Layout, von dem Sie ja alle so begeistert waren, durchaus verwenden – aber alles andere ist auf eine völlig neue Basis zu stellen. Beispielsweise werden wir kaum die Fotografen überreden können, Ihre Bilder kostenlos herzugeben, wenn wir dafür Geld nehmen. Dasselbe gilt für die Artikel von anderen, die bereits vorliegen oder im Entstehen sind. Auch der Kontaktmarkt muss ganz anders aussehen, wenn irgendwo eine Kostenpflicht verankert werden soll. Dann können wir nicht die einfache Form nehmen, von der ich erst einmal ausgegangen bin, sondern wir müssen etwas ganz Besonderes bieten. Nicht nur eine vollständige Community, mit Foren, Nachrichtenübermittlung und so weiter – das auch, aber das reicht nicht. Davon gibt es schon mehr als genügend. Nein, es muss mehr sein. Momentan wüsste ich noch nicht was, aber …“

„Du bist doch genau dafür hier, dir solche Dinge zu überlegen,“ unterbricht mich Deinar. „Es wundert mich, dass noch nichts davon auf dem Tisch liegt. Und für noch erstaunlicher halte ich es, wenn du deinen eigenen Fehler versuchst, mit Vorwürfen an Mondheims Adresse zu überdecken. Es liegt doch auf der Hand – unsere Projekte müssen ihre Kosten wieder einspielen. Was dachtest du denn? Mondheim ist schließlich nicht die Wohlfahrt!“

Oh, oh – die Sache ist weit ernster, als ich dachte. In Gedanken sehe ich mich schon blitzartig wieder aus dem Büro ausziehen. Aber kampflos gebe ich nicht auf – warte nur, du Arschloch! Mir so in den Rücken zu fallen, bloß weil er mich nicht gekriegt hat. Dabei lag das an mir ja nun wohl am allerwenigsten.

Eines hat der liebe Deinar allerdings übersehen – er hat mir soeben meine Waffe selbst in die Hand gegeben. Bei meinem Vorstellungsgespräch hat er mir noch erzählt, die wirtschaftliche Seite des Blattes laufe gut; aber erstens weiß ich inzwischen längst, dieses gut ist gut allenfalls relativ gesehen im Hinblick auf den Anfang – und zweitens hat er mir bei eben jener Gelegenheit auch verraten, es geht Mondheim gar nicht um das Geld, sondern um gewisse Ziele. Leute informieren nämlich. Wie auch immer er sich das leisten kann – einige seiner anderen Firmen müssen reine Geldschleudern sein -, aber er nimmt sich die Freiheit, sich bei gewissen Unternehmungen frei zu machen vom Wirtschaftlichkeitszwang. Ich müsste mich sehr täuschen, wenn das bei seinem neuesten Kind anders wäre.

Scheinbar ruhig und kühl lehne ich mich zurück; wie aufgeregt mein Herz pocht, kann ja niemand merken. „Ich denke, Martin, bis zu dem Tag, an dem du für das Anzeigenblatt eine Bilanz mit schwarzen Zahlen vorliegst, habe ich auch das Ei des Columbus für das Geldverdienen im Internet gefunden.“ Und dir deine Gemeinheit heimgezahlt, ergänze ich im Stillen.

Jakob blickt hoch und lächelt. Was auch immer Deinar vorhat – eine geschlossene Front gegen mich bilden die drei vor mir garantiert nicht.

Nun hängt alles von Mondheim ab.

Noch sagt der gar nichts, betrachtet sich nur den Zweikampf, als sei er der römische Kaiser in der Arena. Endlich rührt er sich. „Sie sehen, Deinar, Sie sind endgültig überstimmt in Ihrer Auffassung, das neue Portal müsse sich von Anfang an selbst tragen. Sie hatten die Chance, Frau Senreis zu überzeugen – es ist Ihnen nicht gelungen. Ihrem Wort hätte ich mich gefügt; schließlich ist sie diejenige, die die Arbeit macht. Da sie die Dinge allerdings ebenso sieht wie ich, und vergessen Sie nicht, es ist mein Geld, mit dem das Portal finanziert wird, ebenso wie das Blatt, bleibt es dabei – das Ganze wird zunächst einmal kostenlos.“

Spiel, Satz und Sieg für mich. Das war kein Hinterhalt von Dreien – nur eine kleine Auseinandersetzung mit einem. Nachdem ich gewonnen habe, kann ich großzügig sein. „Ich denke auch, wir sollten die Seite erst einmal ins Netz bringen und versuchen zu etablieren. Selbstverständlich werde ich immer ein Auge darauf haben, kommerzielle Möglichkeiten zu entdecken und zu schaffen – aber das wird umso leichter sein, je mehr das Portal erst einmal im Bewusstsein der Leser verankert ist.“

Deinar hat noch nicht aufgegeben. „Wenn eine Seite kostenlos ist, kann man sie später nicht einfach kostenpflichtig machen. Wie willst du den Besuchern begreiflich machen, dass sie auf einmal für etwas zahlen sollen, was es bislang umsonst gab? Das ist doch viel schwerer, als wenn man gleich eine klar kommerzielle Linie verfolgt.“

„Ich denke auch nicht daran, das Portal selbst irgendwann plötzlich zu kommerzialisieren,“ halte ich dagegen. „Es geht mehr um Zusatzleistungen, die man nach und nach entwickelt und …“ Mondheim stoppt mich mit einer Handbewegung. „Ende der Diskussion – die Sache ist entschieden. Kein Wort mehr, Deinar!“

Auch wenn er zu meinen Gunsten eingreift – mir wird ganz unheimlich bei seinem Tonfall und der bewusst autoritären Wortwahl. Hier hat sich etwas abgespielt, das ich nur zum Teil ermessen kann.

Ich glaube, noch vor zwei Wochen wäre mein Bedauern über den weiteren Keil zwischen Deinar und mir größer gewesen als meine Freude darüber, dass ich mich durchgesetzt habe.

Aber irgendetwas hat sich verändert.

***

Es ist ein schneidender Schmerz wie plötzliche Kälte gegen einen empfindlichen Zahn, als Deinar zusammen mit den beiden anderen den Raum verlässt. Es macht mich nicht hilflos, dass es wehtut; nur noch mehr wütend. Solange Menschen, die mehr füreinander empfinden als für die meisten anderen in ihrer Umgebung, auf diese Weise miteinander umgehen, will ich keine Beziehung, und dann muss ich mit diesem Schmerz leben. Besser als mit dem anderen.

Theoretisch verstehe ich durchaus, was mit Deinar los ist. Er ist unsicher, wird noch nicht fertig mit meiner veränderten Stellung in seiner Welt; unabhängiger von ihm auf einmal, stärker als bisher. Vielleicht hätte er meinen neuen Job auch gerne selbst oder zumindest unter seiner Aufsicht gehabt. Aber rechtfertigt das eine solche Feindseligkeit? Einen so unfairen Angriff vor den Augen von Mondheim, der unser beider Chef ist?

Gut, ich hätte selbst auch zurückhaltender sein können; meine Angriffsparade war ebenfalls nicht gerade harmlos. Aber irgendwann an diesem Abend vor ein paar Tagen, ich weiß nicht einmal mehr genau wann, nach meinem missglückten Versuch, Deinar nur meine Gefühle zu zeigen und nicht die ganzen wirren Bedenken und Vorbehalte, ist fast wie von selbst Entschlossenheit entstanden, mich zur Wehr zur setzen, wenn es nötig ist. Geschickter als bei Maibaum, wo ich mehr oder weniger nur getrotzt habe wie ein abgestraftes Kind, und unter Ausnutzung meiner inzwischen erheblich besseren Position.

Ich will diesen Job machen, und ich will ihn gut machen. Was privat geschieht, das ist eine Sache, sofern es damit nichts zu tun hat. Sobald jedoch eine Vermischung droht, wird der Job vorgehen, das habe ich mir geschworen. Was dafür nötig ist, werde ich tun.

Ich hasse diese taktischen Spielchen zwischen Verliebten, die mit diesem Zustand nicht ganz zurechtkommen. Die bewussten, grausamen kleinen Verletzungen, die Tiefschläge, die unfairen Wortgefechte. Warum kann man sich nicht einfach zusammensetzen und darüber reden, was wirklich los ist? Schön, dafür müsste man erst einmal die eigenen Schlammtiefen ergründen, aber das ist doch wohl auch für einen Mann keine unmögliche Aufgabe und noch dazu etwas, was ohnehin sinnvoll und nötig ist. Aber nein, stattdessen werden aus Mücken Elefanten gemacht und die herumgeschleudert wie ein Speer der Gerechtigkeit auf einem Feldzug, dessen Sinn keiner versteht.

Ich weiß, wie man über diese grässlichen Situationen hinwegkommt. Man gibt einfach nach. Man packt beiseite, was geschehen ist, beschränkt sich auf die sinnliche Anziehung, und ordnet sich unter. Schon ist das Männlein zufrieden. Meistens jedenfalls.

Ich soll verdammt sein, bevor ich noch ein einziges Mal bei dieser schleimigen Lösung mitmache.

Interessieren würde mich nur eines: Ist es mein eigenes, bockiges, eigensinniges, selbstbewusstes Wesen, das mich immer wieder in diese Lage bringt, oder ist es eine genetische Fehlentwicklung bei den Männern? Die speziellen Eigenschaften bestimmter Männer? Charakterimmanent bei denjenigen, in die ich mich immer wieder verliebe, weil mich vielleicht gerade die Gefahr dabei anzieht und die Unmöglichkeit einer einfachen, friedlichen Lösung?

Ich habe das schon zu oft erlebt, um es noch als Zufall abtun zu können. Maibaum und Deinar sind da nur das Ende einer langen Fahnenstange.

Wahrscheinlich habe ich jetzt das erste Mal eine Chance, mich von dem zu lösen, was in mir selbst immer wieder zu solchen Auseinandersetzungen führt. Endlich habe ich eine Aufgabe, die mir echte Eigenständigkeit im Beruf einbringen kann. Mehr Sicherheit dort wird mich auch privat verändern; das ist unausweichlich. Womöglich kriege ich dadurch genau das, was mir bisher fehlte, um mit solchen Irrungen zurechtzukommen.

Ich übersehe nicht, dass Mondheim sie mir gegeben hat, diese Chance, unterstützt von ein paar Zufällen. Es ist – noch – nichts, was ich mir selbst erarbeitet hätte. Aber das kann und soll nicht verhindern, dass ich diese Chance zu nutzen gedenke. Mondheim hat mir zwar eine Tür aufgemacht – aber was ich dahinter anstelle, wie ich daraus etwas Eigenes baue, das ist ganz allein meine Sache. Er wird mir gerade nicht jeden einzelnen Schritt meines Wegs vorgeben. Er hat nur Schlüssel gespielt und sieht nun zu, aus dem Zuschauerraum. Alles andere muss ich selbst machen. Und ich werde es selbst machen, und kein Deinar oder sonst ein pubertärer Wicht, der nicht einmal mit den eigenen Gefühlen fertig wird, sollte mir dabei dazwischenfunken. Gnade ihm Gott, wenn er weiter versucht, mir beruflich Steine in den Weg zu legen. Wenn er während der Arbeit Krieg führt, sollte er sich in acht nehmen.

Da kämpfe ich mit allen Mitteln, und ich gedenke zu gewinnen.


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