Und Frauen sollen kompliziert sein?

10. August 2013

„Das bist du nicht.“ „Doch, das bin ich,“ beharre ich. „Hätte ich es nicht darauf angelegt, ihn vor dem Zirkel zu blamieren, würde er dich jetzt nicht angreifen.“

„Jetzt vielleicht nicht, aber irgendwann wäre es so oder so gekommen. Ich habe dir ja schon gesagt, du hast dem Zirkel einen großen Gefallen getan. Es ist unabsehbar, was ein solch unbeherrschter Mensch in diesem Kreis für einen Schaden anrichten kann. Ganz zu schweigen von dem Schaden, der dem Kreis selbst daraus droht. Wir müssen sehr sorgfältig auswählen, wen wir aufnehmen. Es gibt viele bei uns, die noch immer mit ihrer Neigung erpressbar sind. Und es läuft dort einiges, was – nun, sagen wir, nicht unbedingt Bestand hätte, wenn jemand zu scharf hinsieht. Man tut sich gegenseitig einen Gefallen, nennen wir das vornehm. Wenn der Falsche davon Wind bekommt, kann das gravierende Konsequenzen haben. Das alles hast du verhindert. Dass du uns Deinar damit nicht endgültig vom Hals geschafft hast, ist unvermeidbar. Und mir ist es dann schon ganz recht, wenn es bald ist. Es trifft mich nicht ganz unvorbereitet; ich habe schon einiges in die Wege geleitet heute Morgen.“

Wie nüchtern er das Ganze sehen kann. Mir geht, um wieder einmal deutlich zu werden, eher der Arsch auf Grundeis.

„Lass uns den weiteren Tag planen. Ich muss um zwei zu einer Besprechung. Das kann dauern. Leider. Ich habe versucht, sie zu verschieben, aber es geht nicht. Wann triffst du dich mit Lange?“

„Er holt mich kurz vor drei hier ab und fährt mich gleich zum Arzt. Ich dachte mir, wenn er ohnehin schon kommt und mich fahren will, kann ich ihn gemeinerweise gleich dafür ausnutzen.“ Mondheim lächelt. „In mancher Beziehung ist an dir eine echte Domina verlorengegangen. Aber vielleicht ja nicht endgültig.“ Was er damit wohl meint? Darüber muss ich später einmal in Ruhe nachgrübeln.

„Gut,“ wird er wieder ernst, „was brauchst du noch aus deiner Wohnung? Das holen wir dann zusammen. Ich hoffe, spätestens um sechs, halb sieben bin ich wieder da, das reicht gerade noch für die Fahrt vor dem Abendessen.“

Ein kleines Känguru macht Freudensprünge in meinem Bauch. Ich werde noch nicht nach Sibirien geschickt!

„Und wenn etwas ist, Anne, rufst du mich an. Sollte ich feststellen, dass du damit zögerst, meine Handynummer zu wählen, dann …“ Er stoppt, beugt sich herunter zu mir, greift im Nacken in meine Haare, zieht meinen Kopf nach hinten und blockt gleichzeitig mit seinem Körper den meinen, so das ich mich nicht bewegen kann. Sein Gewicht presst meinen wunden Rücken gegen die Stuhllehne. „Nein, wenn ich jetzt sage, ich werde dich dafür bestrafen, dann wirst du nicht anrufen, nur um dem kleinen Teufelchen in dir nachzugeben. Ich weiß etwas anderes. Wenn du stur bleibst, werde ich dir heute Abend die Peitsche in die Hand drücken.“ „Na, das sind doch verlockende Aussichten,“ gelingt es mir zu sagen, während ein unterdrücktes Lachen mich schüttelt. Seine Augen bohren sich in meine. „Falls du aber tust, worum ich dich bitte, dann werde ich dich heute Abend schlagen. Ich habe eine unbändige Lust darauf, und ich hoffe sehr, du wirst mich nicht enttäuschen.“

Mir wird ganz anders. Das Känguru trampelt jetzt auf meinem Venushügel herum, und auf einmal ist es auch viel größer und schwerer geworden.

***

Das Mittagessen ist eine ziemlich hektische Angelegenheit. Mondheim ist mit den Gedanken bereits bei seiner Besprechung, und ich bin bei meiner mit Lange.

Die Hoffmann sitzt mit am Tisch. Das gefällt mir zwar einerseits, aber zur Auflockerung trägt es nicht unbedingt viel bei.

Als Mondheim weg ist, kommt es mir vor, als sei die Sonne verschwunden, und ich fühle mich wie ein unerwünschter Fremder in der kalten Höhle eines Schneeberges. Ich arbeite noch ein wenig, aber es will nicht so recht klappen mit der Konzentration.

Eine Krankheit vieler moderner Männer hat Mondheim ganz eindeutig nicht – Angst vor einer Bindung. Weit aufgemacht hat er für mich, und ich bin hineingestürzt in die Öffnung. Nun falle ich, falle, und falle immer tiefer hinein in ihn.

Brauche ich einen Fallschirm?

Nein, ich glaube nicht. Noch habe ich ihn umgeschnallt, und die Reißleine liegt in meiner Hand. Aber ich werde sie nicht ziehen.

Sein Pullover, den er vorhin gegen ein Hemd getauscht hat, liegt noch auf dem Sofa. Die Versuchung ist einfach zu stark. Ich hole ihn mir, vergrabe mein Gesicht darin. Vor einer halben Stunde noch haben diese leichten Strickmaschen seine Haut berührt, und es riecht so sehr nach ihm, mir wird ganz wehmütig zumute..

Es klopft an der Tür. Erschrocken fahre ich zusammen. Noch bevor ich etwas sagen, noch bevor ich den Pullover weglegen kann, hat die Hoffmann das Zimmer betreten, mit einem Tablett. Ihr Blick nimmt mich auf, nimmt wahr, wobei sie mich unterbrochen hat, denn es ist offensichtlich. Nichts verändert sich in ihrem Gesicht. „Ich bringe Ihnen Kaffee,“ sagt sie und stellt das Tablett ab, schiebt sorgfältig mein neues Notebook beiseite, packt zwei Tassen auf den Tisch, Milch, Zucker, Löffel, gießt ein. „Da ich davon ausgehe, wir werden uns noch des öfteren begegnen, dachte ich mir, wir unterhalten uns einfach mal ein bisschen,“ sagt sie ganz ruhig. Meine Nervenenden zucken. „Natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist.“

„Es ist mir sehr recht,“ murmele ich. Sie zieht sich einen Sessel näher heran. „Ich nehme an, Sie wollen einiges wissen.“ Das empört mich denn doch. „Es ist nicht an mir zu fragen,“ erwidere ich heftig. „Und wenn ich frage, werde ich das nicht hinter Mondheims Rücken tun, sondern ihn selbst fragen.“ Sie lächelt. „So gefällt mir das. Aber unterschätzen Sie ihn nicht. Sie haben seine ausdrückliche Erlaubnis, mich nach Strich und Faden auszufragen, das soll ich Ihnen ausrichten.“

Ich überlege einen Moment. Es ist ein großer Reiz, mehr über ihn zu erfahren, mit seinem Einverständnis. Aber noch lieber möchte ich alles von ihm hören, von dem er denkt, ich müsse, dürfe es wissen. „Eine Frage habe ich doch; aber nur eine. Wie lange kennen Sie ihn schon?“ „Seit 23 Jahren bin ich jetzt bei ihm,“ antwortet sie. 23 Jahre. Nur zehn Jahre weniger, als ich auf der Welt bin. So lange schon hat sie seine Tage geteilt. Seine Triumphe, seine Niederlagen. Seine – ja, ich gebe es zu, es ist primitiv und dumm, aber da ist ein anderes Wort. Seine Affären.

Was für eine merkwürdige Situation; ich sitze in seinem Arbeitszimmer und unterhalte mich mit seiner Haushälterin über ihn. Nein, das ist alles nicht richtig. Ich schüttele den Kopf. „Genug von meinen Fragen. Viel wichtiger ist es doch, dass Sie Ihre stellen.“

Sie lässt sich nach hinten fallen. „Gut, gut. Auch Sie sollte man nicht unterschätzen. Ich weiß eigentlich schon, was ich wissen will.“ Ich runzele die Stirn. „Das war nur ein kleiner Test?“ Wie ich das satt habe, andauernd geprüft zu werden! Wenn er mich nicht testet, wenn ich ihm gut genug bin, so wie ich bin, warum wollen dann dauernd so viele andere herausfinden, ob ich auch wirklich etwas tauge?

„Test, das wäre das falsche Wort,“ sagt sie langsam. „Ich kann mich darauf verlassen, dass er niemanden ins Haus schleppt, der nicht grundsätzlich seine Ansprüche erfüllt.“ Meine Güte, das klingt, als brächte er dauernd räudige streunende Katzen mit, oder anderen Unrat! Was geht sie eigentlich Mondheims Intimleben an? „Das klingt alles, als seien Sie mit der neuesten Erwerbung, die er von der Straße aufgelesen hat, nicht sehr einverstanden,“ bringe ich mein Gefühl auf den Punkt.

Sie beugt sich wieder nach vorne, als führe sie einen einstudierten Tanz auf. Wer weiß, wie viele Menschen, Frauen, sie schon versucht hat, auf diese Weise ins Bockshorn zu jagen. Als ob ich nicht schon genug Sorgen hätte!

„Ganz im Gegenteil,“ erklärt sie. „Wissen Sie was, Sie gefallen mir. Auch wenn ich genau weiß, Sie werden hier alles durcheinanderbringen. Oder vielleicht gerade deshalb.“

Was ich daraus nun machen soll, ist mir überhaupt nicht klar. Aber es entwaffnet mich ein wenig.

„Na, ich werde Sie mal wieder allein lassen,“ bemerkt sie. „Ich sehe, Sie haben zu tun.“ „Gleich werde ich abgeholt,“ unterrichte ich sie noch, dann ist sie wieder verschwunden. Ich komme mir vor wie in einem irrealen Märchenland, das keineswegs nur schöne Seiten hat; ein paar Alpträume sind auch dabei.

Lange ist überpünktlich, und schon auf der Treppe komme ich ihm entgegen. „Danke, dass Sie so freundlich sind, mich zum Arzt zu fahren. Das ist eine große Hilfe.“ Er winkt ab. „Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Davon abgesehen kann ich Ihnen heute wenig Erfreuliches bieten.“

Teermann wechselt den Verband. „Das muss morgen und übermorgen noch einmal gemacht werden,“ stellt er fest. „Wenn Sie allerdings Glück haben, geht es am Wochenende schon ohne.“ Ah – dann kann ich mir die Bescherung endlich einmal betrachten. „Die Kleidung auf der Haut wird noch eine ganze Weile unangenehm sein.“ Dann grinst er. „Vielleicht können Sie ja wenigstens zeitweise ohne herumlaufen.“ Weshalb ist er auf einmal so mutig? Bislang kenne ich ihn nur als jemanden, der vor jeder frechen Bemerkung zurückschreckt. Ob mein Ansehen bei ihm gelitten hat, seit er weiß, ich bin Mondheims Sub?

Was ist er eigentlich? Auch Dom? Oder eher passiv? Muss ich ihn bei Gelegenheit mal nach befragen. Aber nicht heute; jetzt stehen erst einmal wichtigere Dinge an.

„Können wir in mein Büro gehen?“ fragt Lange, als wir draußen sind. „Ich möchte nicht, dass jemand zuhört.“

Von mir aus ist das kein Problem. Dann kann ich wenigstens auch einmal sehen, wo er arbeitet.

Es ist ein unpersönliches Hochhaus am Stadtrand, mit mehreren Etagen nur für seine Firma oder Firmen, offensichtlich. Jedenfalls steht auf vielen Schildern etwas von Lange.

Es geht ganz nach oben, und natürlich hat er auch ein Eckzimmer mit ganz viel Ausblick. Ansonsten ist der Raum so kalt wie das ganze Gebäude. Völlig aufgeräumt, völlig allgemein. Hier könnte jeder sitzen. Komisch, ich hätte wetten können, Lange legt Wert auf gepflegte Individualität. So kann man sich täuschen.

Wir setzen uns, nehmen dafür die Sitzecke, die auch nicht einladender wirkt als der Rest, nur teuer und elegant. Eine Sekretärin bringt Kaffee, das hat er im Vorbeigehen verlangt. Und keine Störung, sagte er. Wie im Film.

Trotz der Irrealität bin ich nervös.

Er nimmt seine Tasse auf, stellt sie wieder hin. „Lassen Sie mich gleich zur Sache kommen. Ich würde gerne noch viel sagen, über gestern. Ich schäme mich. Für Deinar, und für mein eigenes Verhalten. Sie waren sehr tapfer.“ Ja, schon gut; ich weiß, dass ich toll bin. Ha, ha. Ich dachte, er wollte gleich zur Sache kommen?

„Sie haben einiges verhindert, indem Sie Deinar aufs Glatteis geführt haben.“ Auch das weiß ich ja schon. Wann kommt endlich das, worauf ich die ganze Zeit warte? „Aber Sie können leider nicht verhindern, dass Deinar das nicht so einfach hinnehmen wird.“ Das dachte ich mir. Und was plant er nun?

Lange holt tief Luft. „Es gibt bei Mondheim – sagen wir einmal so, gewisse Unregelmäßigkeiten. Die Deinar aufdecken will.“

Aha. Gewisse Unregelmäßigkeiten. Geht es vielleicht auch ein wenig konkreter? „Was meinen Sie?“ frage ich ungeduldig. „Steuerhinterziehung, Schwarzgeschäfte?“ Lange öffnet und schließt seine Finger, als habe er einen Krampf darin. „Ich weiß es nicht genau. Es muss mit irgendeiner Auslandsfirma zusammenhängen. Deinar wollte mir nichts Näheres sagen. Ich bin froh, dass ich soviel herausgefunden habe.“

Und dafür der ganze Aufstand? Das hätte er mir auch am Telefon sagen können. Na, immerhin hat er mir ein Taxi erspart. Und vielleicht finde ich noch etwas anderes heraus.

„Sagen Sie mal, Lange, können Sie mir eigentlich erklären, weshalb Deinar so furchtbar wütend auf mich ist? Ich meine, nach gestern ist das klar, aber er war es ja schon vorher. Das gestern Abend war ja nur ein Schritt in einer Entwicklung, die längst vorher begonnen hat. Was stört ihn so furchtbar an mir?“

Lange zuckt die Achseln. „Ich kann es nur schwer erklären. Aber es ist doch so, all das, was Sie ihm entgegengehalten haben, was einer Beziehung zwischen Ihnen beiden entgegensteht, das ist doch bei Mondheim auch da, und noch viel mehr. Er ist dominant, und er ist nicht nur Ihr Vorgesetzter, sondern sogar Ihr direkter Brötchengeber. Wie kommt es, dass Sie sich bei ihm auf soviel einlassen, wozu Sie bei Deinar nicht einmal ansatzweise bereit waren?“

Oh Gott, oh Gott; und da sage noch mal einer, Frauen wären kompliziert und unverstehbar.

„Das kann ich Ihnen ganz leicht erklären, Lange. Deinar und ich, wir haben eine gewisse Anziehungskraft aufeinander ausgeübt. Die bestand, was mich betrifft, unter anderem deshalb, weil er sich mit fremden Federn geschmückt hat; mit Mondheims nämlich. Wundert Sie es wirklich, dass ich lieber nach dem Original greife statt nach der billigen Kopie?“

Oh, oh – ob das nicht ein wenig zu deutlich war? Ich könnte natürlich auch eine andere Begründung nennen; eine, die der Wahrheit näher kommt. Es hat etwas mit Liebe zu tun. Aber Liebe ist kein Argument, also musste ich sagen, was ich gesagt habe. Es spielt eigentlich auch gar keine Rolle. Ich werde nie den Finger darauf legen können, was genau zwischen Deinar und mir abgegangen ist. Ich werde nie eine niedliche kleine Beschreibung dazupacken, ein Preisschild dranhängen und es ordentlich ins Regal legen können. Und ebenso wenig scheint Lange es zu verstehen. Wahrscheinlich versteht nicht einmal Deinar selbst, wie es mir gelingen konnte, seine sämtlichen Abwehrwälle zu durchdringen und den gut gepflegten Garten seiner Ruhe zu verwüsten.

Aber eines ahne ich inzwischen – seine Frau wird vermutlich einiges wiedererkennen von dem, was geschehen ist. Bestimmt bewahrheitet sich auch bei ihm der alte Spruch, dass an einer unglücklichen Trennung meistens beide schuld sind, und nicht nur einer.

So, und nun möchte er also gegen Mondheim vorgehen. Wahrscheinlich ist das ohnehin ein großes Stück von dem, was hinter allem steckt. Seine Eifersucht auf Mondheim. Seine ganz unerotische Eifersucht auf einen Mann, der ihm einiges voraus hat, die natürlich auch in erotischem Zusammenhang anspringt, also bei mir. Wenn ich versuche, alles noch einmal Revue passieren zu lassen, hat er sich das erste Mal komisch benommen nach Mondheims Geburtstagsfeier, nach unserem Abschied dort. Weil er gesehen hat, wie Mondheim mich anschaut, wie er sagte. Dass ich davon nichts mitbekommen habe, muss nichts heißen. Er mag da durchaus das bessere Gespür gehabt haben. Und danach ging es stetig bergab mit seinem Benehmen.

Ja, ich denke, es ist mir gelungen, wieder einmal einen kleinen Faden zurückzuverfolgen und aufzurollen. Nicht um mich geht es, sondern um Mondheim.

Vielleicht ist Deinar auch schwul? Ach, Quatsch – keine dumme Laienpsychologie.

Zurück zu dem, was wirklich wichtig ist; nicht dass Hintergründe nicht dabei helfen könnten, richtig darauf zu reagieren. „Sollten Sie nicht mit Mondheim selbst reden?“

Lange schüttelt den Kopf. „Noch nicht. Ich muss erst versuchen, mehr herauszufinden. Was kann ich denn schon tun, momentan?“ „Zumindest könnten Sie versuchen, Deinar zu bremsen,“ entgegne ich scharf. „Das kann ich nicht. Er hat mir die Freundschaft aufgekündigt, weil ich gestern nicht für ihn eingetreten bin. Dabei kostet es mich schon so genug, sein Mentor geworden zu sein, und sei es auch noch so kurz. Es wird ein Nachspiel für mich haben, und kein angenehmes.“ „Das ist doch Unsinn – es hieß doch, dass Deinar von mehreren Mitgliedern im Zirkel vorgeschlagen worden ist. Wenn daraus jemandem ein Vorwurf gemacht werden kann, dann trifft der alle; auch Mondheim.“ „Nein,“ korrigiert mich Lange. „Es trifft nur denjenigen, der sich für Deinar verantwortlich zeichnet, und das bin ich, ich allein. Mondheim hat sich ja gerade noch rechtzeitig aus der Affäre gezogen.“

Zum Glück. Und Lange selbst hat ihm das noch vorgeworfen.

Im Prinzip kann ich auch wieder gehen. Für seichtes Geplänkel habe ich keine Zeit, ich muss Mondheim erreichen. Und es klingt hart, aber mit seinen Gewissensbissen muss Lange selbst fertig werden, dabei kann ich ihm nicht helfen und will das auch nicht. Zumindest nicht jetzt und nicht heute, wo anderes meine Aufmerksamkeit fordert. Vielleicht später einmal.

Ich stehe auf. „Tun Sie mir einen Gefallen? Rufen Sie mir ein Taxi, bitte.“ „Nein, ich fahre Sie natürlich zurück!“ „Nein, bitte – Sie haben sicher genug zu tun. Danke für Ihr Angebot, aber das muss wirklich nicht sein.“

Er lässt sich leicht umstimmen. Der Taxifahrer sucht anscheinend das Gespräch, aber meine Einsilbigkeit lässt ihn rasch verstummen.

Die Hoffmann scheint noch nicht wieder da zu sein, niemand reagiert auf mein Klingeln. Aber dafür hat sie mir ja vorhin den Schlüssel mitgegeben und den Code für die Alarmanlage. Wie kann man sich nur freiwillig solchen Zwängen unterwerfen? Das würde mir derart auf die Nerven gehen, nicht einmal in die eigene Wohnung ohne Aufstand hineinzukommen.

Wie ein Dieb schleiche ich mich ins Arbeitszimmer, deponiere den Schlüssel auf seiner Schreibtischunterlage.

Dann greife ich mir mein Handy, wo – was für ein Zufall – die Nummer von dem zerknüllten kleinen Zettel inzwischen fest einprogrammiert ist. Mist, das Teil hat kaum noch Saft; ich muss unbedingt an das Netzteil denken heute Abend.

Mondheim meldet sich sofort. „Anne, alles in Ordnung?“ Gott, ist das schön, seine Stimme zu hören. Aber ich muss alles Wichtige schnell abhandeln. „Ich störe nur kurz. Lange weiß nichts Genaues, aber er glaubt, dass Deinar – wie drückte er sich aus, ‚gewisse Unregelmäßigkeiten‘ aufdecken will. Irgendetwas, das mit einer Auslandsfirma zusammenhängt.“ „Ach, das. Ja, dann weiß ich Bescheid. Ich werde gleich alles in die Wege leiten. Danke, Anne.“ Einen Moment schweigt er, und dann sagt er: „Ich freue mich schon auf heute Abend.“

Meine Güte, ich fürchte, ich bin soeben tomatenrot geworden im Gesicht. „Ich mich auch,“ flüstere ich, bevor ich auflege. Wie kann er mir solche Sachen sagen, wenn er mitten in einer Besprechung sitzt? Kann er das nicht machen wie die meisten anderen Männer auch, mit einer strengen Trennung zwischen Beruf und Privatleben?

Nein, kann er nicht. Dass er eben nicht trennt, das ist eines der Dinge, die ich so an ihm mag. Es bedeutet, er wird nie vollständig nur bei mir sein, denn das andere kann jederzeit und überall eindringen. Aber es heißt auch, er wird sich nie ganz von mir entfernen; und wenn er noch so sehr bis über den Kopf in Arbeit steckt.

Himmel, ich bin unrasiert unter den Armen und an den Beinen, und ich habe keinen Rasierer dabei. Wenn ich den erst nachher besorge, reicht es nicht mehr, mich vorher glatt zu machen. Bestimmt darf ich seinen benutzen. Oder doch nicht? Ich stehe im Bad vor der Ablage, schwanke, und greife dann doch entschlossen zu.
***


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