Der begossene Pudel

2. August 2013

Sie hat es schon wieder getan.
So oft habe ich sie darum gebeten, ja, geradezu angefleht habe ich sie, mir das zu ersparen. Irgendwer hat sie auf diesen komischen Pott gesetzt, dass devote Männer die Demütigung brauchen wie die Luft zum Atmen und die Finger zum Rubbeln. In Ordnung, gut – wenn es ihr Spaß macht, dafür ertrage ich es, dass sie mich beschimpft, mich herumkommandiert wie einen kleinen Jungen, der noch Windeln trägt.

Es merkt ja keiner.
Aber sie besteht darauf, immer wieder den besonderen Reiz dieser ganzen bescheuerten Spiele in der Öffentlichkeit zu genießen.
Weiß sie gar nicht, dass die Leute über sie genauso lachen wie über mich, bei jeder dieser beschämenden, plumpen Vorführungen? Ist ihr nicht klar, wie sie alle lachen, sich amüsieren, und sich dabei kaum die Mühe geben zu warten, bis wir ihnen den Rücken kehren, sondern uns ins Gesicht lachen?
Ich ertrage es nicht.
Oh Gott, es war so peinlich.
Einfach aus der Hand genommen hat sie mir den Teller mit den Salaten vom kalten Büfett, ihn auf den Boden gestellt. „Ich habe zwar noch nie davon gehört, dass Hunde Salat fressen – aber wenn, dann bestimmt nicht mit Messer und Gabel im Stehen, sondern aus einem Napf. Also, halte dich dran.“
Ich hasse diese Hundespiele ohnehin.
Sie hat schon recht; es ist mit das Demütigendste, was ich mir vorstellen kann.
Deshalb macht sie sie ja.
Aber auch noch vor aller Augen!
Die meisten haben gar nicht wirklich verstanden, was da abging; aber gekichert und geprustet haben sie alle trotzdem. Ist ja immer ein innerer Vorbeimarsch, wenn ein anderer genau die Alptraumsituation erlebt, vor der man sich selbst fürchtet. Lächerlich gemacht werden vom Partner.
Das Lachen war auch Befreiung, dass für diesmal der Kelch an ihnen vorübergegangen ist und einen anderen übergossen hat.
Begossen.
Wie den sprichwörtlichen Pudel.
Der kann sich auch nicht schlimmer gefühlt haben als ich in diesem Augenblick.
Passt ja auch gleich in doppelter Hinsicht, der Vergleich mit dem Pudel.
Natürlich wäre ich am liebsten sofort verschwunden, aber sie wollte es ja auskosten, mich unter der Knute zu haben; es den anderen zeigen, was man alles machen kann mit einem dressierten Ehemann. Das Blitzen ihrer Augen sagte mir genug. Hier nachgeben – oder mindestens drei Wochen lang für aufrechte Sturheit bezahlen.
Und Ruhe hätte ich danach auch auf dieser Feier nicht gehabt.
Ich hatte keine andere Wahl.
Ich schäme mich, es zugeben zu müssen – auf alle Viere bin ich gegangen und habe ein Salatblatt genommen. Es steckte mir lange Zeit quer im Hals wie ein tonnenschweres Zementstück.
Sie war zufrieden.
Das Verrückte ist, sie bildet sich tatsächlich ein, ich bekäme einen hoch von solchen Szenen.
Ob sie es erregt – das weiß ich gar nicht. In den Situationen selbst ist meine Scham so überwältigend, dass ich an nichts anderes denken kann; und nachher würde ich den Teufel tun und die Sprache noch einmal auf den Blödsinn bringen.
Anfangs, ja, da habe ich noch versucht, es ihr auszureden, solche Spiele mit mir zu veranstalten. Völlig witzlos, das ganze Bemühen. Jedenfalls – ihre Erregung war dabei das letzte, was für mich eine Rolle gespielt hätte. Das muss sie gespürt haben; diesen inneren Widerstand von mir, ihr in dem Punkt nachzugeben. Und prompt hat sie alles darangesetzt, mich zu erziehen.
Mehr als ein Jahr macht sie das nun schon.
So langsam kann ich mich nirgendwo mehr sehen lassen. Jede Gelegenheit von Öffentlichkeit versuche ich zu meiden wie die Pest; aber sie lässt mich nicht in Ruhe.
Zwei-, dreimal in der Woche schleppt sie mich unter Leute, und nie weiß ich, wann ihre Stimmung umschlägt und sie wieder so einen Affentanz veranstaltet wie gestern.
Einen Hundetanz vielmehr.
Heute Abend ist wieder etwas. Ein kleiner Theaterbesuch. Ganz schlicht. Die Begleitung allerdings, die wird nicht sehr schlicht sein. Ihr Chef, nebst Gattin.
Da wird sie es wohl nicht wagen, mich zum Hund zu degradieren.
Nein, sie wird es nicht wagen.
Nur – diesmal hat sie die Rechnung ohne mich gemacht.
Geil sieht sie aus, in ihrem langen Schwarzen.
Nur etwas unpraktisch, das Teil, für das, was ich vorhabe. Vielleicht kann ich sie überreden, das kurze Schwarze anzuziehen?
„Schatz, bist du sicher, dass du es so sehr übertreiben solltest? Ich meine, wir sollten auf keinen Fall bei deinem Chef den Eindruck erwecken, als sei ein Theaterbesuch etwas Ungewöhnliches. Der hält dich glatt für einen Kunstbanausen. Es ist doch einfach normal, ins Theater zu gehen. Natürlich musst du dich schön machen dafür. Aber du siehst doch immer toll aus, egal was du anziehst. Nur – vielleicht etwas weniger Förmliches?“
Unschlüssig sieht sie mich an. „Meinst du wirklich? Ich weiß nicht …“ Zögernd fingert sie an ihren Dutzenden von Abendkleidern herum. „Ich will ja auch nicht aussehen wie eine Landpomeranze, wenn sie in lang kommt.“
„Warum nicht? Stell dir vor, sie glaubt, auf dich herabblicken zu können – dann sieht sie keine Gefahr in dir und lässt sich womöglich sogar aus Mitleid dazu herab, ihrem Mann vorzuschlagen, dich zu befördern. Während in Wirklichkeit doch aller Augen nur dir gelten. Und, bedenke, wenn es andersherum wäre, du in lang kommst, und sie etwas Kurzes trägt – dann fängt sie gleich an zu kratzen und zu beißen.“
Sie weiß nicht so recht, was sie tun soll. Also erleichtere ich ihr die Entscheidung, greife mir das kurze schwarze Kleid. „Sieh mal, warum solltest du deine herrlichen, wohlgeformten Beine verstecken? Ich sehe sie so gerne – und dein Chef tut das bestimmt auch.“
Das überzeugt sie.
Ich werde heute Abend ganz genau hinschauen müssen, was zwischen den beiden abgeht. Nichts dagegen, dass sie fremden Männern den Kopf verdreht. Weiter allerdings sollte das nicht gehen.
Natürlich braucht sie wieder stundenlang im Bad. Als ob sie das nötig hätte, sich zu schminken. Schon ganz ohne diesen Pastenkram sieht sie besser aus als manche Frau mit haufenweise Farbe im Gesicht.
Nachher sucht sie ihren Schlüssel, vergisst die Tempos, wechselt in letzter Sekunde die Schuhe – und so weiter.
Man kennt das ja als Mann.
Immerhin kommen wir dank meiner vorausschauenden Planung nur zehn Minuten zu spät vor dem Theater an; und da gnä‘ Frau Chefin anscheinend noch länger braucht, um sich anzuhübschen, sind die beiden noch später, und wir machen Punkte.
Etliche scheißfreundliche Sätze und endloses Flanieren und Umsehen später geht endlich das Licht aus.
Es ist so weit.
Ich muss schnell sein, noch bevor das Stück selbst für Ablenkung sorgt. Soll übrigens ganz gut sein – eigentlich schade, dass wir es versäumen werden.
Mitten in die laut atmende, zum Teil noch flüsternde Spannung vor dem Heben des Vorhangs hinein stehe ich auf. Ein paar verwunderte Blicke ernte ich, aber das ist mir egal. Das wird noch viel mehr werden an Aufmerksamkeit, bevor ich fertig werde.
Ich lege den Kopf zurück, stoße ein lautes Heulen aus. Wer bisher noch nicht auf unsere kleine Vierergruppe geachtet hat, tut das spätestens jetzt.
Dann lasse ich mich auf alle Viere nieder – gar nicht so einfach in dem engen Raum zwischen zwei Sitzreihen -, schnaufe, hechele, und nähere mich unaufhaltsam dem Schoß meiner ersichtlich absolut schockierten Frau.
Wie ein unerzogener Hund schiebe ich meine Schnauze – äh, nein, meinen Mund – zwischen ihre Beine, arbeite mich langsam nach oben, belle einige Male unterdrückt, mit Stoff vor dem Mund.
Schade, dass sie einen Slip trägt – ohne wäre es noch besser.
Das ist schon weit erregender als die Dinge, die ich armer Hund sonst machen durfte.
Endlich löst Frau Chefinsgattin sich aus ihrer Erstarrung. Mit einem empörten Aufschrei erhebt sie sich, schiebt sich fregattenartig an den anderen Zuschauern vorbei in den Gang nach draußen, gefolgt von ihrem nicht weniger entsetzten Männe.
Meine Frau sitzt da, den Tränen nahe.
Ich hebe den Kopf und grinse sie an. „Du magst es doch, wenn ich in der Öffentlichkeit Hund spiele, oder etwa nicht?“
Nun, anscheinend wohl doch nicht.
Ich schätze, das war das letzte Mal, dass ich als Pudel aufgetreten bin.

***

Und, wie gefällt sie Ihnen, meine kleine Geschichte?

Nicht dass mich Ihr Urteil wirklich interessiert. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel – aber es gibt eine Reaktion darauf, und die reicht mir aus. Mondheim amüsiert sich königlich über das Teil. Mehr Lob brauche ich nicht.

Um zehn wird seine Sekretärin kommen oder Assistentin oder was auch immer sie ist; jedenfalls die Dame, die immer weiß, wo er zu erreichen ist. Als es klingelt – merkwürdig, dass der Glockenklang durch die weiten Räume bis nach hier oben durchdringt -, erhebe ich mich. Abrupt rollt er seinen Schreibtischstuhl herum. „Du willst doch wohl nicht verschwinden?“

„Doch, ich dachte …“ stottere ich.

„Anne, nein, bitte. Es sei denn, es ist dir zu unangenehm. Was mich betrifft, ich versuche, möglichst nichts von dem zu verbergen, was mir wichtig ist. Ich will nicht erpressbar werden – und wie sollte mich jemand mit etwas erpressen könne, zu dem ich offen stehe? Man kann sich das Maul zerreißen, man kann es unmoralisch finden oder was auch immer; die Gedanken sind frei. Aber man kann mich damit nicht angreifen.“

„Daran habe ich nicht gedacht,“ gebe ich zu, „und so habe ich das noch nie gesehen. Eigentlich hast du recht.“

„Anne, ich mag keine heimlichen Affären. Ich hasse das. Es ist – es ist schmutzig. Und es macht etwas klein, das ganz groß ist und wunderschön. Wenn man sich ständig verstecken muss, glaubt man am Ende selbst, man täte etwas, was nicht richtig ist. Nicht dass mir der Klatsch nicht auch oft genug auf die Nerven geht – aber das ist mir immer noch lieber, als etwas zu zerstören, das Licht braucht und Luft.“

Ich wusste gar nicht, dass er so poetisch sein kann.

Jetzt wäre die Gelegenheit, danach zu fragen, was seine Frau davon hält, aber ich zögere, und dann ist es zu spät, es klopft, und die Hoffmann führt die Frau herein, mit der ich schon einige Male telefoniert, die ich aber noch nie gesehen habe. Die Frau, die sein gesamtes Geschäftsleben mit ihm teilt. Die ihn weit besser kennt als ich; und vielleicht sogar als seine Frau.

Er stellt uns einander vor, wir begrüßen uns, und dann verschwinde ich doch im Schlafzimmer mit meinem Buch. Ich folge seiner Argumentation, warum wir uns nicht verstecken sollten; und selbst wenn ich das nicht täte, würde allein sein Wunsch danach mich durch sämtliche damit verbundenen Peinlichkeiten tragen. Aber das heißt nicht, ich muss mich in etwas hineindrängen, was mich nichts angeht.

Nach etwa einer Stunde holt er mich zurück. Sie ist gegangen, aber es klingelt gleich wieder.

Der nächste Besucher ist ein Mann – mit einem Haufen Paketen. „Ah, Hefner, gut dass Sie kommen. Anne, darf ich vorstellen – Hefner, unser Administrator. Hefner, Frau Senreis, für die Sie jetzt Weihnachtsmann spielen dürfen.

Ganz unzeremoniell packt der Mensch seinen ganzen Kram vor mir auf den Tisch. Nur mit einer Kiste geht er so vorsichtig um, als enthielte sie rohe Eier. Er gibt mir die Hand, aber seine Blicke lösen sich dabei kaum davon. Beinahe liebevoll öffnet er das Teil und holt ein Notebook heraus. „Das Beste vom Besten,“ verkündet er stolz. „Soeben besorgt, auf Anweisung des Chefs. Ist auch schon alles installiert. W-LAN, GPRS-PC-Karte und alle Software, die Sie brauchen. Den Zugang zum Firmennetz habe ich schon eingerichtet. Hier,“ er kramt in seinen Taschen, zieht einen Zettel heraus, „hier sind Ihre Zugangsdaten. Zweiter Akku, falls Sie mal längere Zeit ohne Strom sind, Netzteil. Die ganze Software, aber das wird Sie weniger interessieren. Wenn etwas ist, rufen Sie mich einfach an und ich erledige das. Virenschutz ist drauf, und Software-Firewall. Aber wenn Sie über den Anschluss hier oder im Büro gehen, der Router ist noch sicherer. Sie müssen einfach den entsprechenden Benutzer auswählen, entweder W-LAN, dann sind Sie darüber geschützt, oder eben die andere Karte. Die funktioniert, als hätten Sie immer Ihren eigenen Telefonanschluss dabei; damit können Sie auch im Park arbeiten oder sonst wo und brauchen nicht einmal einen Hotspot in der Nähe. Hier ist die Tastatur – die vom Notebook selbst ist ja für nichts zu gebrauchen, wenn man soviel schreibt wie Sie. Ist eine richtig gute Tastatur, ich habe extra darauf geachtet, dass sie leichtgängig ist. Sind Goldverbindungen – absolut super. Eine Funkmaus, eine ganz leichtgängige. Nicht dass Sie nachher noch eine Sehnenscheidenentzündung kriegen, das ging meiner Freundin immer so, bis ich mich endlich um ihre Hardware gekümmert habe.“

Er redet sich immer mehr in Begeisterung. Ich bin etwas geplättet, aber freuen kann ich mich doch schon über das fantastische Gerät. Ich wollte schon immer ein Notebook. Nein, ich freue mich nicht nur, ich bin überwältigt.

Hefner verkabelt alles – gar nicht einfach, aber er hat jede Menge Verlängerungskabel dabei -, und mit einem leichten Summen und kleinen blauen Lichtern – echt klasse! Aber darüber können sich wahrscheinlich nur Frauen freuen – springt das Teil an. Er zeigt mir alles, Benutzerwechsel und so weiter, kontrolliert für mich meine Mails. Zwölf Stück sind da – höchste Zeit, dass ich anfange zu arbeiten.

„Aber das ist noch nicht alles,“ redet er weiter. „Hier ist noch eine Tasche. Keine von den normalen Dingern, die schon den ersten Tritt nicht aushalten, nein, etwas ganz Stabiles. Und groß genug, dass Sie Maus und Tastatur immer dabeihaben können. Ich weiß, dadurch wird es etwas unförmig, das mögen Frauen nicht so gerne. Aber sehen Sie, das ist doch viel besser, wenn Sie immer gleich richtig schreiben können und sich nicht auf den Minitasten die Finger verbiegen.“

Er überlegt. „War noch etwas? Ich glaube nicht. Aber Mondheim hat meine Nummer. Wie gesagt, einfach anrufen, und ich komme sofort. Bin ja schließlich der Mann für alle Fälle und Notfälle.“ Richtig jungenhaft sieht er aus, obwohl er so weltmännisch tut. Der gefällt mir, der Hefner, den mag ich leiden.

So plötzlich, wie er hineingewirbelt ist, wirbelt er auch wieder hinaus und lässt mich mitten im Kasten- und Kabelchaos sitzen.

Mondheim ist in seine Arbeit vertieft, aber das ist mir jetzt egal. Ich gehe zu ihm, vergrabe meine Finger in seinen Haaren, dunkel mit viel Grau, sehr kurz, und erstaunlich weich, lehne mich an ihn. „Danke. Danke, Daniel. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es ist – toll.“

Er greift nach meinen Händen, schwingt herum. „Ich muss doch dafür sorgen, dass du arbeitsfähig bleibst. Oder willst du mir erzählen, du würdest nicht spätestens nach dem Mittag anfangen zu quengeln, du willst ins Büro, um nachzusehen, was zu tun ist? Du hast dich ja schon heute Morgen nur mit Mühe beherrschen können.“

Wie gut er mich kennt!

Besäße ich nicht eine gewisse Arbeitsdisziplin, ich wüsste genau, wie ich ihm meine Dankbarkeit zeigen soll. Zum Glück stärkt das Klingeln des Telefons meine Entschlossenheit.

Ich mache mich an meine Mails. Es ist erstaunlich, wie schnell meine Arbeit zu Kontakten hierhin und dorthin geführt hat. Inzwischen kommen schon die ersten Anfragen von Unbekannten, zwei sind heute dabei, ob sie nicht Bilder ausstellen dürfen auf dieser Seite, die es noch gar nicht gibt. Mit dem Partyservice ist noch etwas zu klären; da werde ich gleich nachher anrufen. Teermann erinnert mich an den Verbandwechsel. Um drei soll ich bei ihm sein. Das muss ich mit Mondheim absprechen, ob das geht. Sonst nehme ich ein Taxi.

Schlagartig trifft mich die Erkenntnis, nach diesem Termin bei Teermann wird es vorbei sein mit meinem Besuch hier. Nur in der ersten Nacht wollte er mich nicht allein lassen. Wenn alles gut heilt, werde ich die kommende in meiner Wohnung verbringen; allein. Wehmut legt ein eisernes Band um meinen Brustkorb, das einschnürt und schmerzt und das Atmen schwer macht. Aber ich muss es ertragen. Ich bin nicht da, sein Leben durcheinander zu bringen; schlimm genug, dass er sich heute so sehr nach mir richten muss.

Noch ein Erlebnisbericht ist eingetroffen, vom Bekannten eines Bekannten eines Bekannten. Ein schönes Teil; es liest sich gut, und es berührt. Gleich wird es eingefügt. Schön zu sehen, wie das Portal wächst. Und morgen steht wahrscheinlich die erste Alpha-Fassung vom Kontaktmarkt.

Das letzte Mail ist von Lange. Eine dringende Bitte, ihn anzurufen, sobald ich dazu in der Lage bin.

Ja, ich weiß – man kann vor den Folgen des eigenen Handelns nicht weglaufen. Ich habe Glück, dass nicht Deinar selbst geschrieben hat.

Mondheims Stimme holt mich aus meinem Erschrecken. „Was ist los, Anne?“

„Ein Mail von Lange. Ich soll ihn anrufen.“

„Ich mache das schon,“ sagt er, doch ich widerspreche. „Nein, ich werde ihn selbst anrufen.“ Er tippt zwei Tasten – anscheinend ist Langes Nummer eingespeichert -, hält mir den Hörer hin und überlässt mir seinen Stuhl.

„Lange.“ „Anne Senreis. Lange, ich …“ „Gott sei Dank, dass Sie mich anrufen. Ich muss mit Ihnen sprechen.“ „Deinar,“ konstatiere ich. „Ja, Deinar. Es tut mir Leid, ich weiß, Sie wollen es eigentlich nicht hören. Aber es ist wichtig.“ Ja, das wird es wohl sein; sein Tonfall macht es überdeutlich.

„Wo können wir uns treffen?“ Ich überlege. „Das wird etwas schwierig, ich …“ „Ich weiß, Sie sollten noch nicht wieder Auto fahren,“ unterbricht er mich. „Ich hole Sie gerne ab. Aber ich wollte Sie nicht in Ihrer Wohnung überfallen.“ Mir kommt ein Gedanke. „Wenn Sie Zeit haben und mich zum Arzt fahren, können wir uns gerne nachher noch unterhalten.“ „Danke. Wann?“ „Wir brauchen etwa eine Viertelstunde. Um Viertel vor drei?“ „Ich werde da sein.“ „Halt,“ rufe ich, bevor er auflegen kann. „Ich bin nicht in meiner Wohnung.“ „Mondheim?“ fragt er. „Kein Problem. Aber sorgen Sie dafür, dass er nichts mitbekommt. Es betrifft auch ihn, aber ich will erst mit Ihnen reden.“

Nein, mein Lieber – so nicht. Wenn es Mondheim betrifft, wird Mondheim es erfahren. Aber das werde ich ihm nicht erklären.

Mondheim ist zurück aus dem Bad, lehnt sich gegen den Schreibtisch. Er hat nicht gehört, was gesprochen wurde. Ich könnte es ihm verschweigen, so wie Lange das will. Aber ich bin nicht die allmächtige gute Fee, die eigenhändig die Intrige abwehren kann, die ihm von Deinar droht; denn das und nichts anderes ist es wohl, worüber Lange mich informieren will. Ich brauche Mondheim, und ich muss ihm die Chance geben, so früh wie möglich selbst in Abwehrstellung zu gehen.

„Deinar scheint etwas zu planen.“

Mondheim nickt. „Ich dachte es mir schon. Und Lange will intervenieren?“ „Keine Ahnung. Er will mich sprechen. Aber ich soll dir noch nichts sagen; obwohl es dich auch betrifft, das hat er schon klargemacht.“

„Verdammt.“ Ich presse die Hände gegen meine Augen. „Daran bin ich schuld.“


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