Skandal auf der Vernissage …

27. September 2013

„Evelyn Kramer, Daniel Mondheim,“ stelle ich die beiden einander vor, und wende mich dann dem blässlichen Mann mit der Adlernase und den langen Haaren zu, den sie mitgeschleift hat. „Sie sind wahrscheinlich Raimund Sahm? Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen, und ich bin schon unheimlich gespannt auf Ihre Bilder.“

„Aber Kinder, wir können uns doch nicht siezen!“ ruft Evelyn und lässt die ganze Zeit Mondheim nicht aus den Augen. So wie ich sie kenne, ist das eine bewusste Herausforderung. Natürlich würde ich Sahm normalerweise duzen, ebenso wie sie meinen Begleiter; wenn er nicht gerade 20 Jahre älter wäre als wir beide.

„Aber selbstverständlich, Evelyn,“ sagt Mondheim und streckt ihr die Hand hin, begrüßt dann Sahm. „Herr Sahm – ich glaube, wir kennen uns bereits?“ Sahm greift mit beiden Händen zu. „Selbstverständlich, Herr Mondheim. Ich möchte Ihnen noch einmal danken, dass Sie diese Ausstellung möglich gemacht haben.“

Mein Staunen ist nicht geringer als Evelyns. Der Hund hat mir gar nichts davon gesagt! Na, das passt ja wieder!

„Ich habe dir doch erzählt,“ erklärt Sahm Evelyn, „dass mir der örtliche Kunstverein diesen Raum besorgt und die Finanzierung der Werbung für die Ausstellung übernommen hat. Ohne diese Unterstützung wäre das alles ja gar nicht möglich gewesen.“

„Der Kunstverein,“ bemerkt Evelyn gedehnt, „das macht doch bestimmt Ihre – oh, Verzeihung, Daniel – deine Frau?“ So eine falsche Schlange! Warum ist sie bloß so streitsüchtig? „Korrekt,“ erwidert Mondheim. „Und sie hat es außerordentlich bedauert, bei der Eröffnung nicht anwesend sein zu können. Aber ich denke, die stellvertretende Vorsitzende hat diese außerordentlich angenehme Pflicht für sie übernommen?“

Sahm sieht sich um und nickt dann in Richtung einer Frau, die mir auf Anhieb ebenso unsympathisch ist wie die Dame, deren Stelle sie heute einnimmt.

Einen Augenblick steht mir das Szenario vor Augen, wir wären hier Mondheims Frau begegnet.

Vielleicht sollte ich mich daran gewöhnen, sie Silvia Mondheim zu nennen; das andere klingt so unpersönlich, und so – feindselig.

Die Bewegung hat die blonde Stellvertreterin auf unsere kleine Gruppe aufmerksam gemacht, und schon segelt sie auf uns hernieder. „Herr Mondheim, welche Freude, Sie doch hier zu sehen. Ich hatte nicht damit gerechnet, nachdem Ihre Frau ja leider nicht kommen konnte.“

Ein abschätzender, abschätziger Blick trifft mich. Demonstrativ legt Mondheim mir einen Arm um die Taille, und ich muss mich beherrschen, nicht zu grinsen wie ein Mondpferd. Oder eher ein Mondheimpferd. „Ja, Silvia weilt noch am Mittelmeer, Frau Petersen.“

„Aber du hast ja vorübergehend Ersatz für sie gefunden,“ bemerkt Evelyn.

Ich könnte sie umbringen.

„Keineswegs nur vorübergehend, Evelyn,“ entgegnet Mondheim lakonisch. „Und für den Fall, dass Sie ihre Handynummer brauchen, Frau Petersen, um sie darüber zu informieren, die kann ich Ihnen gerne geben. Seien Sie aber nicht enttäuscht, wenn Silvia bereits Bescheid weiß.“

Der Mann hat wirklich Mut.

Mir ist eher nach Mauseloch. Aber auch dort erreicht mich die Erkenntnis, er hat es ihr bereits gesagt. Wahrscheinlich ohne Details, aber sie weiß es schon. Er hat nicht gelogen, als er sagte, er geht offen mit allem um. Eine grenzenlose Erleichterung lässt mich innerlich jubeln, nur wenig getrübt durch mein schlechtes Gewissen ihr gegenüber.

Eine Frau, die noch beinahe ein Mädchen ist, sehr nervös in einer Art Uniform, hält uns ein rundes Tablett mit vielen Gläsern hin. Mondheim greift zu, verteilt den Sekt; wenn es denn welcher ist.

Es ist.

„Auf den Künstler, und auf einen großen Erfolg nicht nur dieser Ausstellung, sondern hoffentlich noch vieler weiterer,“ sagt er und hebt sein Glas.

Wie beherrscht er ist, wie vollkommen Herr der Situation.

Er soll mir nicht immer widersprechen – er ist wirklich großartig.

Wir alle nehmen einen Schluck, dann nimmt Mondheim meinen Arm. „Und nun sind wir hoffentlich für eine Weile entschuldigt; wir sind ja schließlich der Kunst wegen hier. Vielleicht ergibt sich nachher noch eine Gelegenheit, sich zu unterhalten.“

„Um Himmelswillen,“ murmele ich halblaut, als wir außer Hörweite sind. „Hätte ich gewusst, was dir hier bevorsteht, ich hätte auf jeden Fall den Mund gehalten.“

Er zuckt die Achseln. „Ich finde es zwar unangenehm, aber dennoch ganz amüsant. Bedauerlich ist nur, dass Silvia so schnell dem Klatsch ihrer Freunde ausgesetzt ist. Nicht dass ich sie als ihre Freunde ansehe – aber sie denkt da anders.“

„Warum hast du mir denn nichts gesagt?“ dränge ich. „Wenn der Kunstverein sich um die Ausstellung gekümmert hat, war doch absehbar, dass irgendjemand von dem Verein auftaucht. Wir hätten besser wegbleiben sollen.“

„Weglaufen ist keine Lösung,“ sagt er scharf.

„Nein, natürlich nicht,“ halte ich ebenso scharf dagegen. „Aber muss es wirklich sein, dass du dich meinetwegen so angreifbar machst?“

Er wirbelt mich herum, unempfindlich gegen die Blicke, die sich im voller werdenden Raum auf uns konzentrieren. „Interessiert es dich etwa, wie die alle sich über uns das Maul zerreißen? Und was diese Evelyn von dir denkt? Magst du mich deshalb weniger, weil sie mich für ein unausstehliches Arschloch hält, was sie dir unbedingt beweisen will?“

Wie fantastisch er aussieht, so wütend, so unbekümmert um die Reaktionen seiner Umgebung, der er sich mit seiner gleichgültigen Raubkatzenkraft stellt.

„Ich liebe dich,“ ist meine Antwort.

Er sieht mich an. Unsere Augen verfangen sich ineinander. „Beweise es. Beweise es mir, Anne – hier und jetzt.“

Er ist der Herausforderung nicht ausgewichen, die sich ihm hier – ob vorausgeahnt oder nicht, das spielt keine Rolle – aufgedrängt hat. Nur, woher soll ich die Kraft nehmen, meiner zu begegnen? Ich bin nicht so unabhängig wie er von der Meinung der Leute um uns herum. Um meinetwillen nicht; und um seinetwillen nicht.

Aber eigentlich gibt es nur einen Menschen, von dem ich wirklich abhängig bin. Den ich brauche wie die Luft zum Atmen.

Ich weiß, was er von mir will. Ich weiß es, und ich kann es tun.

Ich will es tun.

Langsam, wie in Zeitlupe, schiebe ich den Saum meines Kleides ein wenig hoch, beuge ein Knie, ziehe das andere nach und senke den Kopf, als ich knie.

Vor seinen Füßen, und vor den Augen all derer, die atemlos erstarren, das kann ich spüren wie einen kalten Windhauch.

Es ist zum Sterben peinlich, und es erfüllt mich mit einem überwältigenden Glücksgefühl.

Ich habe nie etwas von Spielen in der Öffentlichkeit gehalten. Ich weiß doch, wie böse Zungen über das herfallen, das sie nicht verstehen können.

Aber dies hier, das ist auch kein Spiel. Es ist eine symbolische Geste. Eine, die mich sehr viel kostet. Ich bezahle diesen Preis gerne; für den viel wertvolleren der liebevollen Hochachtung, die in seinen Augen liegt und seinen Händen, die mich aufheben.

***

„Skandal bei Vernissage,“ flüstert mir Mondheim ins Ohr. „Unschuldige Besucherin von Kunstmäzen vergewaltigt.“ Ein glucksendes Lachen schüttelt mich. „Ich glaube, den meisten reicht es schon für einen ausgewachsenen Skandal, was sie bis jetzt gesehen haben!“

Ich fühle mich auf einmal der ganzen Welt gewachsen. Zumindest, solange er an meiner Seite ist. Müsste ich den ganzen schockierten, missbilligenden, amüsierten, erstaunten Blicken um uns herum allein begegnen, es sähe sicher etwas schlechter aus mit meiner Sicherheit.

Endlich widmen wir unsere Aufmerksamkeit auch den Bildern. Sie sind – nun ja, wie erotische Bilder halt nun so sind. Ist man selbst verliebt, erkennt man sich in ihnen wieder; ist man es nicht, wecken sie Sehnsucht. Zumindest, wenn sie gut sind. Und die hier sind gut.

„Das ist mein Lieblingsbild,“ lässt sich hinter uns Sahm vernehmen, als wir lange vor dem einer Frau stehen bleiben, deren Augen geschlossen sind, und deren Lippen lächeln. Man sieht nicht, von wem sie träumt, für wen sie lächelt – und doch ist ihr Partner in seiner Abwesenheit beinahe präsenter als sie selbst.

„Es ist wunderschön,“ erkläre ich und drehe mich um zu Sahm. Seine Augen funkeln. „Aber viel wichtiger ist doch die lebendige Erotik,“ bemerkt er. „Obwohl ich sie nur auf totem Papier über den Moment hinaus festhalten kann. Ich schicke Ihnen einen Abzug, wenn ich es entwickelt habe.“

Erst jetzt sehe ich entsetzt die Kamera, die er in der Hand hält. Um Gotteswillen!

Mondheim lacht laut auf. „Ich sehe schon, Sahm, Sie haben Zukunft; Sie wissen den Augenblick beim Schopf zu fassen.“

Sahm grinst über beide Backen. „Die meisten Szenen sind ja gestellt, aber ich liebe die überraschenden Aufnahmen. Die ganz echten. Das kommt mir immer so vor, als könne ich das Leben selbst einfangen.“

Der Typ gefällt mir; auch wenn ich ihm seine Knipserei ein wenig übel nehme.

Wo nur Evelyn steckt?

Er registriert mein Suchen. „Evelyn kümmert sich nur um den Getränkenachschub. Sie wird gleich zurück sein.“

Tatsächlich schließt sie sich uns kurz darauf an. Sie ist merkwürdig kühl; was mich nicht unbedingt verwundert. Als die beiden Männer zum nächsten Bild marschieren, bleibt sie stehen. Aha – Zeit für ein wenig Weibertalk.

„Das war ja ein rührendes Schauspiel,“ höhnt sie. „Deinem Lover hat es jedenfalls gefallen,“ gebe ich zurück. „Und den Rest der Welt geht es ja wohl nichts an. Wirklich schöne Bilder macht er, übrigens. Und als Person ist er mir sehr sympathisch.“

„Lenk nicht ab,“ zischt sie. „Musst du dich unbedingt vor allen lächerlich machen?“ „Die Reaktion auf deine nette kleine Provokation ist wohl weiter gegangen als du das wolltest?“ spotte ich.

Ihre Augen verengen sich. „Das ist doch unwürdig!“

„Oh, Himmel,“ stöhne ich. „Ich sage dir, was unwürdig ist – wie du mit aller Gewalt versucht hast, Daniel bloßzustellen, und mir jetzt auch noch angeblich freundschaftlich-besorgte Vorträge hältst. Habe ich mich jemals in dein Liebesleben eingemischt? Lass uns doch einfach in Ruhe! Du wolltest, dass wir heute Abend kommen. Also bitte – wir sind da; und nun lebe damit.“

Wieso bringen eigentlich entscheidende Entwicklungen im eigenen Leben immer auch Dinge zum Kochen, deren unterschwellige Gefährlichkeit man vorher überhaupt nicht wahrgenommen hat?

Erneut will sie ansetzen, aber Sahm und Mondheim sind zurück, und Sahm packt sie hart am Arm. „Jetzt ist es aber genug! Du versaust mir noch den ganzen Abend!“

„Ich versaue dir den Abend?“ empört sie sich. „Das ist ja wohl …“ Sie holt einmal tief Luft und beruhigt sich dann auf einmal doch. “ Gut – gut. Ich beuge mich der rohen Gewalt. Es ist dein Leben, Anne.“

Die Missstimmung jedoch hält an.

Nachdem sich die allgemeine Neugier irgendwann legt, geselle ich mich noch zu ein paar Bekannten, die ich entdeckt habe. Mondheim ist mit Sahm beschäftigt. Die beiden scheinen geradezu unzertrennlich zu sein. Ideale Voraussetzungen für ein Double-Dating. Ha!

Nach einer ebenso langen wie langweiligen Rede der stellvertretenden Kunstvereinsvorsitzenden verziehe ich mich aufs Klo, treffe dort Evelyn.

Ihr Gesicht umwölkt sich.

Warum streiten wir uns eigentlich? Doch nur, weil wir uns mögen. Ich schließe sie in die Arme, überwinde ihren halbherzigen Widerstand dagegen. „Mensch, Evelyn – sei doch nicht so! Ich bin so glücklich, und dein Raimund ist absolut wunderbar. Lass uns doch einfach die Zeit genießen und uns nicht streiten!“ Sie knufft mich. „Du bist vielleicht eine Nummer!“ Soll heißen – okay, weg mit dem blöden Streit.

Sie wartet, bis ich fertig bin, und dann gehen wir zurück zu den anderen, die Arme umeinander gelegt.

Mondheim und Sahm stoßen sich gegenseitig an, als sie uns entdecken, verziehen vielsagend ihre Miene. „Frauen!“ grummelt Sahm, aber man merkt doch, wie er sich freut.

Der Rest des Abends ist dann richtig gut.

„Meine Güte, dein Daniel hat echt Format,“ flüstert mir Evelyn beim Abschied zu. „Was?“ fragt Sahm neugierig. „Nichts, nichts,“ wehrt Evelyn ab. „Du weißt doch – Frauen!“ Er verdreht die Augen, und lachend gehen wir auseinander.

***

Eigentlich hatten wir nach der nun wirklich nicht unanstrengenden Woche ein absolut ruhiges und entspanntes Wochenende geplant.

Katrin und Jürgen hatte ich ja schon vorher abgesagt; einen Ersatz konnte ich leider doch nicht auftreiben, und so muss nun einfach eine der Großmütter die Zwillinge abends übernehmen. Gegen jeglichen Versuch, mir dafür ein schlechtes Gewissen einzuimpfen, konnte ich mich erfolgreich zur Wehr setzen.

Für den Samstag Nachmittag war Jakob angesagt, um mir noch ein paar Informationen zu meiner Initialisierung am darauffolgenden Sonntag zu geben, und das war es dann auch schon mit den Verpflichtungen.

So dachten wir jedenfalls.

Ja, und dann kam der Anruf aus Südfrankreich; mitten beim Samstagsfrühstück.

Silvia Mondheim. Sie wird überraschend heute schon zurückfliegen, gegen vier da sein, und, so hat Mondheim es mir übermittelt, sie erwartet, dass wir ihr dann beide zu einer Aussprache zur Verfügung stehen.

Er scheint völlig gelassen und unbesorgt, aber die Sauerstoffversorgung in meinem Körper ist seitdem völlig durcheinander.

Ich fürchte diese Stunde ihrer Rückkehr, wie ich nicht einmal die Schilddrüsenoperation gefürchtet habe, die ich vor drei Jahren hatte; selbst in diesen wenigen Sekunden vor der Vollnarkose, als das Skalpell längst im nächsten Raum für mich bereitlag.

Doch ein Teil von mir ist auch erleichtert. Dieses Gespräch ist etwas, das sowieso bevorstand. Ausweichen ist nicht mein Ding. Wenn etwas Schreckliches droht, bringe ich es lieber gleich hinter mich. Insofern kann ich der Petersen beinahe dankbar sein. Denn die ist es wohl, der wir diese Überraschung zu verdanken haben.

Es erstaunt mich, dass die Mondheim meine Anwesenheit fordert, aber natürlich ist mir das weit lieber, als wenn Daniel alles allein durchleben muss. Ganz davon abgesehen wäre meine Ruhe, müsste ich einfach nur Stunden in meiner Wohnung auf seinen Bericht danach warten, noch weit mehr zum Teufel als so.

Ich zwinge mich zum Lesen. Meine Sachen sind bereits zusammengepackt; wenn die Aussprache beendet ist, wird Daniel mich in meine Wohnung fahren. Und danach hierher zurückkehren, denke ich mir, auch wenn das nicht ausgesprochen wurde.

Ich möchte diese Wendung grausam finden, aber ich bin nüchtern genug, ihre Situation, in den Augen der Welt und vielleicht auch tatsächlich die der betrogenen Ehefrau, noch viel grausamer zu finden und komme so um zuviel Selbstmitleid herum.

Mondheim arbeitet. Er hat mir angeboten zu reden – aber was gibt es da zu reden? Das ist einfach etwas, durch das wir beide hindurchmüssen. Für ihn ist es weit schmerzhafter als für mich, wie könnte ich da noch seine Aufmerksamkeit und Unterstützung für mich fordern.

Beim Mittagessen bringe ich nichts hinunter. „Na, nun reißen Sie sich mal zusammen, Anne,“ weist mich die Hoffmann zurecht, die natürlich informiert ist, als sie meinen fast vollen Teller abräumt. „So heiß wird das alles nicht gegessen, wie es gekocht wird, wo wir schon einmal beim Essen sind. Schließlich hat Silvia doch auch schon …“

„Stopp,“ unterbricht Mondheim sie scharf. „Es gibt gewisse Dinge, die will ich nicht erläutert haben!“

Er ist richtig böse, und beleidigt verzieht sie sich, überlässt uns das Schlachtfeld. Das kommt mir jetzt gerade recht – die Küche aufräumen. Ablenkung finden, etwas zu tun haben mit meinen Händen in der Hoffnung, es wird auch meine Gedanken beschäftigen.

Dieser Tatzenschlag gerade, der geschah aus Loyalität. Loyalität seiner Frau gegenüber. Ich liebe ihn dafür.

Die Stunden schleichen dahin. „Musst du – deine Frau nicht am Flughafen abholen?“ frage ich irgendwann. Er steht auf, setzt sich zu mir auf das Sofa. „Nein, das ist alles schon geregelt.“ Er streicht mir die Haare aus dem Gesicht. „Anne, kann ich etwas tun, dass es dir besser geht?“

Ich nehme seine Hand, vergrabe mein Gesicht darin. „Es geht mir nicht schlecht, Daniel – ich habe nur Angst. Denk nicht an mich. Ich habe die leichteste Aufgabe. Ihr beide, du und sie, ihr habt die weit schwerere.“

Er setzt sich neben mich, zieht mich auf sich. So verharren wir, bis durch das offene Fenster das Autogeräusch klingt.

Sie ist da.

Gemeinsam gehen wir die Treppe hinunter, ich erst einen Schritt hinter ihm, dann zwei.

Vor der Haustür höre ich Stimmen. Sie gibt Anweisungen.

Ich ersticke in Furcht.

Die Tür geht auf, und zunächst sehe ich nur zwei Leute, die alle möglichen Koffer, Taschen und Pakete tragen.

Und dann taucht sie auf.

Er geht ihr entgegen. Ich bleibe stehen, am Fuß der Treppe, fixiere starr einen Punkt an der Wand.

Mondheim begrüßt sie mit einem Kuss auf die Wange, den sie erwidert. Noch einmal öffnet sich die Tür. „Was für ein furchtbares Wetter,“ klagt der Neuankömmling. Es ist ein Mann. Grauhaarig, distinguiert. Klein, schlank. Extrem gutaussehend. „Und das nach der Wärme in Südfrankreich! Ich habe Silvia gleich gesagt, warum bleiben wir nicht noch eine Woche, wie wir das vorhatten? Es gibt doch fast nichts, was nicht ein paar Tage Zeit hätte.“ Er reicht Mondheim die Hand. „Daniel, trotz allem, es ist schön, dich zu sehen.“

Mondheim dreht sich nach mir um. Auf bleiernen Füßen nähere ich mich. „Anne, Silvia kennst du ja bereits. Das ist Meinhard Grübingen. Meinhard – Anne Senreis.“ Grübingen drückt fest meine Hand. „Sehr angenehm, Frau Senreis. Oder darf ich Sie Anne nennen?“ „Selbstverständlich,“ murmele ich.

Ich verstehe überhaupt nichts, komme mir vor wie ein Schauspieler im falschen Film.

„Ihr wollt euch sicher erst ein wenig frisch machen,“ nimmt Mondheim die Situation in die Hand. „Ich kümmere mich währenddessen um den Kaffee. Sehen wir uns in einer halben Stunde im Wohnzimmer?“

„Ich würde es lieber gleich hinter mich bringen,“ murrt sie, doch Grübingen nimmt ihren Arm. „Nein, Silvia – immer mit der Ruhe. Es läuft uns nichts weg, und ich sehne mich die ganze Zeit schon danach, aus diesem Anzug herauszukommen.“

Ich folge Mondheim in die Küche, muss mich mühsam beherrschen, nicht stehen zu bleiben, mich nicht umzudrehen, den beiden nicht fassungslos hinterher zu starren.

Das erklärt natürlich einiges.

„Entschuldige, dass ich es dir nicht gesagt habe,“ sagt Mondheim leise. „Das Warten wäre dir sicher leichter gefallen. Aber ich finde einfach, es ist ihre Sache und nicht meine, es zu offenbaren.“

Die Hoffmann ist nicht zu sehen. Mit ein wenig Mühe finde ich, was man für einen Kaffeetisch braucht; inklusive Stoffservietten. Wo ich schon einmal dabei bin, räume ich gleich noch die Spülmaschine aus, die inzwischen fertig ist. Ich bin völlig durcheinander; vielleicht hilft mir das, Ordnung in den hellen Aufruhr meiner Gedanken zu bringen, der die Angst abgelöst hat. Nun ja, fast abgelöst; natürlich ist sie immer noch da.

Der gedeckte Tisch sieht im großen Wohnzimmer verloren aus. Auf Mondheims Anweisung hin ist es der kleine runde, den ich bestückt habe, nicht einer der zwei größeren Tische. Der frischgebackene Kuchen in der Mitte, dessen Geruch schon seit Stunden das halbe Haus füllt, kommt mir irgendwie unpassend vor. Das fällt wohl unter das Stichwort die Contenance wahren.

Ich halte es auf dem Stuhl nicht aus.

Endlich nähern sich Stimmen. Meine Hände sind klamm und zittern.


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