Private Lustwärts Teil 2: Flagge zeigen im „Flag in“

5. November 2011

Der Ort:
Eine x-beliebige Szenekneipe, wie sie jeder kennt. Merke – wer auf vertraute Situationen baut, kann an der Dekoration kräftig sparen.
Die Besucher:
In dieser Szene kommt man um diverse Statisten allerdings nicht herum. Da SM’ler durchweg völlig geil auf Selbstdarstellung sind, solange ihre wahre Identität dadurch nicht gefährdet ist, empfiehlt es sich zu diesem Zweck, den örtlichen SM-Stammtisch einzuschalten.

Allein dieser kurze Anruf wird weit mehr Interessenten bringen, als Schauspieler gebraucht werden, die man jedoch vollzählig zum Drehort bestellt.
So hat man die Möglichkeit, die allerschlimmsten Entgleisungen beim Auftakeln im Fetisch Dress schonungslos auszumerzen.
Dabei achte man auf Üblichkeit mehr als auf Ansehnlichkeit; Individualismus ist schließlich in der Szene allenfalls im anerkannten Rahmen gefragt.
Das rauchige Dunkel einer Kneipe wird nach und nach von bunten Scheinwerfern erhellt, die einzelne geschminkte Gesichter und gestylte Bodys erkennen lassen.
Schwarz ist die vorherrschende Farbe; lediglich für einzelne blonde Damen, bei themenbezogenen Tattoos und als Kajalstift sind rot und gelb erlaubt, und einzelne silberne Metallteile sind ja nun ein Muss.
Die Gäste sitzen zum Teil umgekehrt auf Stühlen, lehnen locker an der Bar oder tanzen auf der Bühne zum Rhythmus dreier Bullenpeitschen.
Der Raum beim Tanzen ist allerdings beengt. Am Rand und über die gesamte Fläche sind unförmige Gebilde verteilt, verdeckt durch schwarze Tücher.
Dem Zuschauer wird Zeit gelassen, sich nicht nur an das Dämmerlicht zu gewöhnen, sondern auch Details zu erkennen wie etliche an einer Leine herumgeführte menschliche Sklaven, Sklavinnen und Hunde, Skalp und Skalpell sowie Taschenpeitsche am Ledergürtel dominanter Damen oder Herren, und Nieten an Kleidung, Nasenflügeln und Brustwarzen.
Man hört leises bis lauteres Stimmengewirr, unterbrochen in unregelmäßigen Abständen durch Schmerzensschreie und Stöhnen; ohne dass dem Zuschauer die Möglichkeit gegeben wird, Quelle und Gründe dieser Laute zu erfahren.
Das Tonmaterial kann aus den Billigarchiven der Pornoanbieter günstig beschafft werden.
Plötzlich hält alles den Atem an.
Es ist totenstill, die Sessionmusik stoppt.
Die Tür öffnet sich, wirft einen grellen Lichtkegel in den Raum.
Das staksige Trippeln von High Heels ist das erste Geräusch, das wieder zu hören ist.
Die Kamera schwenkt, zeigt eine große, hagere, leicht schiefe Gestalt mit wallender blonder Strohperücke, die huldvoll den Kopf neigt und den jubelnden Fans zuwinkt, die in Verwunderung so erstarrt sind, dass der Jubel ausbleibt.
Es ist Lollo Wanderbra von Lollo & Stitch.
Der Star des Abends – natürlich wird es nachher noch eine Show geben -, bereits eingetroffen, um sich mit dem simplen Volk gemein zu machen.
Sie (nun ja, Lollo Wanderbra ist immerhin die einzige Frau, die mit dem Schwanz denken kann) durchschreitet die gesamte Länge der Kneipe und verschwindet hinter einer Tür.
Noch einen Augenblick lang sorgt die Ehrfurcht für Ruhe, dann steigt nach und nach der Lärmpegel wieder an.
In diesem Krach fällt es überhaupt nicht auf, dass die Tür sich erneut öffnet und ein Pärchen eintritt.
Es sind zwei Frauen, als Männer verkleidet, dicht gefolgt von zwei Männern, als Frauen verkleidet.
Da, auf einmal – Feueralarm.
Das ist eindeutig der Nachteil von Reality-Soaps: Die ganze Vorbereitung war umsonst; die Dreharbeiten werden vertagt.


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