Mistress Sheila Teil 1

3. Juli 2009

Phil hatte noch vorgeschlagen, dass ich mich richtig schick mache, wenn ich mich bei Mistress Sheila vorstelle. So richtig domina-mäßig. Aber das soll ja ein ganz normales Gespräch unter dominanten Frauen werden – und dabei fühle ich mich wohler in normaler Alltagskleidung.
Zwar schick – aber ganz ohne Lack und Leder.
Ein schlichter schwarzer Hosenanzug mit einer hellen Bluse war es schließlich, wofür ich mich entschieden habe, und dazu Ballerinas mit flachem Absatz. Bei meiner Größe braucht man keine High Heels.


Bevor ich losgezogen bin, um diese geheimnisvolle Herrin kennenzulernen, die bei ihren Sklaven so unglaublich beliebt ist, hatte ich noch ein langes Gespräch mit Phil, oder vielmehr mehrere lange Gespräche.
Ich hatte seine grenzenlose Eifersucht ja bereits mehrfach beobachtet, hatte sogar schon ganz grausam damit gespielt, und konnte es mir einfach nicht vorstellen, dass er nicht seine Schwierigkeiten haben würde, wenn ich als neuen „Beruf“ sozusagen andere Männer im Domina Studio erziehe.
Aber er hat mir erklärt, dass es ihm ausschließlich darum geht, ob mir ein anderer Mann – oder eben auch ein Vibrator – Lust bereitet.
Das wird im SM Studio wohl nicht stattfinden; davon gehen wir beide aus. Dass ich einen anderen devoten Mann züchtige oder auf andere Weise foltere, das macht ihm nichts aus, sagt er.
Und er sieht es ein, dass ich unbedingt eine Aufgabe brauche und kaum eine Chance habe, in England einen vernünftigen Job zu finden; ohne entsprechende Ausbildung und Vorkenntnisse, als Ausländerin, die zwar gut, aber nicht perfekt Englisch spricht, und in Zeiten einer Wirtschaftskrise, wo überall die Leute entlassen und nur sehr wenige neu eingestellt werden.
Hätte ich die entsprechenden Kontakte, könnte ich sicher etwas Ähnliches aufbauen wie meine Firma in Deutschland – den Verkauf gebrauchter Computer. Aber ich habe diese Kontakte nicht, Phil kann sie mir nicht verschaffen, weil er in ganz anderen sozialen Kreisen verkehrt – und ohne einen Einstieg, ein wenig Vitamin B der richtigen Sorte, werde ich da nicht weiterkommen.
Phil ist einfach klasse; manch ein anderer Mann hätte bestimmt nicht nur Schwierigkeiten damit, dass ich ausgerechnet die Sklavenerziehung zum Job machen will, und würde mir eine Szene machen.
Aber nicht Phil.
Er ist so lieb und zärtlich und unterstützt mich, wo er kann. Ich habe es deshalb noch nicht eine Sekunde bereut, in Deutschland alles aufgegeben zu haben. Auch wenn ich beruflich hier sicherlich noch eine ganze Zeit keinen festen Boden unter die Füße bekommen werde, das weiß ich jetzt.
Das hatte ich mir einfacher vorgestellt, als es tatsächlich ist – aber wenn man privat glücklich ist, dann lässt sich das leichter verkraften.
Außerdem habe ich ja das Glück, dass ich mir um Geld keine allzu großen Sorgen machen muss; das ist es ja, was einen dann normalerweise total herunterzieht und die echten Probleme verursacht.
Doch ich habe ein paar Ersparnisse, ich habe hin und wieder schon Einnahmen aus Übersetzungen gehabt – und notfalls würde Phil mich, ohne sich dabei ausgenutzt vorzukommen, mich unterstützen.
Allerdings hätte dann ich das Gefühl, dass ich ihn ausnutze – deshalb kommt das für mich wirklich nur im absoluten Notfall in Frage. Trotzdem ist es gut, das zu wissen und diese Möglichkeit zu haben.
Aber zurück zu Mistress Sheila.
Dass meine Kleiderwahl doch falsch war und ich auf Phil hätte hören sollen, das wurde mir gleich klar, als sie mir die Tür öffnete und mich mit einem Lächeln begrüßte. Sie war nämlich in voller Domina-Montur; und ich jetzt eben in einem Hosenanzug ganz ohne Leder oder sonst domina-typische Paraphernalia.
Einen winzigen Augenblick fühlte ich das Gefühl einer massiven Unterlegenheit in mir aufsteigen. Hier sprach ja nun alles gegen mich: Ich war die Unbekannte, die Ausländerin, die die englische Sprache nicht einwandfrei beherrschte, und auch noch die, die ganz normal alltagsmäßig angezogen war.
Mistress Sheila hingegen trug einen hautengen Anzug aus Lack, mit einem hohen Stehkragen, und dazu hohe Stiefel, ebenfalls aus Lack. Sie war damit, infolge der High Heels, sogar noch ein winziges Stückchen größer als ich und wirkte ganz genau so, wie man sich nun einmal eine Domina vorstellt.
Das erste Mal verstand ich es jetzt in dieser Situation auch, warum Dominas sich so kleiden und nicht anders.
Denn es weckt im Gegenüber automatisch ein gewisses Gefühl der Unterlegenheit. Kleider machen nun einmal Leute – und das gilt auch für die Beziehung zwischen Domina und Sklaven.
Doch Mistress Sheila ließ mich das alles schnell vergessen. Sie begrüßte mich sehr herzlich und führte mich in einen Raum, der wie ein Büro ausgestattet war, sehr nüchtern, fast kahl, und sehr geschäftsmäßig.
Zum Glück – in einem echten Spielzimmer hätte ich mich sicher nicht richtig entspannen können.
Sie erklärte mir dann auch gleich, das sei das Zimmer, in dem sie immer ihre Vorgespräche führe. Die Atmosphäre sei bewusst nüchtern, denn der Anblick von SM Spielzeugen und Werkzeugen hätte oft zur Folge, dass bei den Angaben vorab die Fantasien mit den devoten Männern durchgingen – und während der späteren Session könne das dann bloß zur Katastrophe führen.
Diese Einstellung gefiel mir.
Mistress Sheila gefiel mir überhaupt. Sie ist groß – wenn auch nicht ganz so groß, wie ich es bin -, schlank, hat dunkle, lange Haare, die sie zu einem Knoten hochgesteckt hat, sehr warme dunkelblaue Augen, die faszinierend wirken und einen in ihren Bann ziehen, ein schmales, langes Gesicht und sehr prominente Zähne.
So stellt man sich ja auch die Engländerinnen oft vor … In ihrem Fall ist es auch tatsächlich so, aber sie ist auf keinen Fall pferdegesichtig und pferdezähnig, dazu ist sie nämlich viel zu hübsch.
Vom Alter her, das sie mir nicht verriet, müsste sie in etwa in meinen Jahrgang fallen; vielleicht ist sie ein paar Jahre älter.


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