Asshole

30. Dezember 2010

Auf den ersten Blick wirkt James überhaupt nicht wie ein potenzieller Sklave und Sub. Er ist eher ein wenig arrogant, und sehr „aloof“; sehr abgehoben. Er bleibt gerne für sich. Anfangs hat er sich mir gegenüber so verhalten, dass ich ihm am liebsten eine Ohrfeige nach der anderen verpasst hätte; so richtig überheblich.
Ich habe mir das ursprünglich sogar gefallen lassen. Dominant sein hin oder her – ich war da ja schließlich nicht als Domina angestellt, sondern als Übersetzerin. Wenn ich es bei anderen Dominas nicht leiden kann, dass die ihre dominante Seite auch dort herauskehren, wo sie gar nicht hingehört, nämlich außerhalb der SM Sessions, dann darf ich das ja selbst auch nicht machen.

Außerdem hätten die mich sonst im Zweifel gleich wieder rausgeschmissen …
Aber irgendwann hatte ich die Schnauze wirklich voll. Es war nicht so, dass James wirklich fies und gemein gewesen wäre; es war schon etwas dezenter, seine Arroganz. Leichter zu ertragen war sie deswegen nicht – nur schwerer anzugreifen.
Ständig hoffte ich, irgendwann einfach mal einen richtig guten Spruch bei ihm anbringen zu können, der ihm den Mund stopfte. Aber entweder fiel mir der erst nachher ein, wenn schon alles gelaufen war – so ist es ja oft -, oder meine Wut machte mir das Denken gänzlich unmöglich. Und genau über die Wut bin ich dann irgendwann gestolpert.
James hatte mir wieder einmal in seinem näselnden überheblichen Ton erklärt, was er von mir erwartete – ein Text war nicht einfach nur ins Deutsche zu übersetzen, sondern dabei auch an entscheidenden Stellen für den deutschen Markt abzuändern, da sah ich rot.
Mit einer vor erstickter Rage ganz leisen Stimme sagte ich: „You’re an asshole!“ Für den Satz braucht ihr sicher keine Übersetzung …
Ich gebe zu, es war primitiv, und es war auch taktisch nicht sehr geschickt, aber ich hatte einfach genug von seiner herablassenden Art. Immerhin war ich anschließend mutig genug, ihm direkt in die Augen zu schauen.
Es war faszinierend, wie ich dort zuerst pures Erstaunen sehen konnte, dann einen ganz kurzen Augenblick lang Zorn – und danach etwas ganz anderes, und zwar etwas Weiches, Nachgiebiges. Und dann sagte er grinsend: „I know.“
Das war eindeutig 1:0 für ihn. Ich musste lachen; ich konnte nicht anders.
An diesem Tag hat sich zwischen James und mir etwas verändert; und wie das weiterging, das berichte ich euch beim nächsten Mal.


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