Wohnungssuche und Umzug

21. Oktober 2013

Der Montag Morgen kommt mir so vor, als hätte ich überhaupt kein Wochenende gehabt – nun, viel Ruhe war ja auch nicht -, aber meine Energie scheint endlos.

Die Wohnung, die wir um sieben besichtigen – kleines Haus wäre die bessere Bezeichnung dafür – erringt weder Daniels, noch meine Zustimmung.

Der nächste Termin ist heute Abend um acht. Hoffentlich werden wir schnell fündig; ich habe Angst, meine geliebte Raubkatze lange so beengt zu sehen.

Ich hätte ebenso wie Daniel gestern arbeiten sollen; meine Mailbox ist brechend voll. Einiges betrifft den Kontaktmarkttest; das kommt später. In den nächsten Stunden wühle ich mich erst einmal durch all die Forderungen, Anfragen, neuen Artikel, die sich so leise und heimlich an den zwei Tagen aufgehäuft haben, an denen man eigentlich erwarten sollte, dass die Leute Besseres zu tun haben.

Der Nachmittag gehört Jasmund; gemeinsam werten wir die Berichte und Fehlermeldungen aus, sammeln die Rückfragen, die ich halten muss für Browser, Betriebssystem und so weiter. Das erste Mal erlebe ich nun auch die Arroganz des fähigen Programmierers bei Jasmund, wenn sich der eine aufregt, dass bei der Anzeigenaufgabe die schon eingegebenen Texte verschwinden, wenn er auf Refresh geht (Internet Explorer natürlich) und die andere klagt, bei der Neigungswahl dominant-devot keine Mehrfachauswahl treffen zu können. Ich kann es ihm nachfühlen.

Ein interessanter Hinweis kommt von einem Bekannten vom Stammtisch – Datenschutz. In der Tat – darum muss ich mich kümmern. Schnell kläre ich es mit Mondheim ab, dass ich Gastner beauftragen darf, uns eine kurze Zusammenfassung der Rechtslage, eine Datenschutzrichtlinie und einen wasserdichten Hinweistext zu liefern. Natürlich wälzt der sofort die Hauptarbeit auf mich ab und verlangt Entwürfe von mir, die er dann korrigieren wird. Geschickter wäre es ja, er würde mir erst einmal die rechtliche Aufklärung liefern – aber wenn er meint. Bin ich froh, dass ich um das Abendessen herumgekommen bin, das ich ihm versprochen habe. Irgendwie ist dieser Typ mir unheimlich.

Also geht der Rest des Tages damit drauf, dass ich mich anderswo informiere, mir ansehe, wie die anderen es machen, und ihm dann pünktlich zum Feierabend (zu meinem; keine Ahnung, wann er nach Hause geht) meine Texte sende. Eigentlich brauche ich ihn zu diesem Zeitpunkt kaum noch; aber immerhin haftet ein Anwalt ja, wenn er einen Fehler macht. Ist mir schon lieber, mich da abzusichern.

Und dann, ja, und dann bekomme ich meinen Traum von einer Wohnung zu sehen; jedenfalls hätte ich davon geträumt, hätte ich jemals in diese Höhen vorstoßen können. Es ist das Erdgeschoss einer alten Villa; und das ist auch schon der einzige Nachteil – die anderen Bewohner und ihre möglicherweise weit offenen Ohren in bestimmten Situationen. So von wegen der dezenten Geräusche während einer Session. Wobei die Wände gegen die in meiner Wohnung geradezu Tresorqualität besitzen – so schlimm wird es also nicht werden.

Weite, hohe Räume mit weißen Wänden finden wir vor und sogar noch mit Stuck an den Decken, Parkettböden, einen Kamin. Wahnsinn – Kaminfeuer im Winter! Davor ein Bärenfell – wahlweise auch etwas Geschmackvolleres -, und darauf dann Mondheim und ich, spärlich bekleidet in der Hitze.

Bad, Gästeklo und Küche begeistern mich nicht ganz so sehr – nichts gegen alte Wohnungen, aber die Sanitäranlagen mag ich schon lieber modern -, doch es ist gut verkraftbar. Und auch wenn die vorhandene Einbauküche, die drin bleiben wird, nicht der letzte Schrei ist, immerhin ist es Holz und so ganz sympathisch.

Nach hinten gibt es eine riesige Terrasse und einen kleinen Garten. Für dessen Pflege wir zuständig sein werden. Wir – oder ein Gärtner; mal sehen. Rasenmähen kann ich mir ja gerade noch vorstellen, aber Unkraut zupfen, alte Blüten abschneiden, neue Pflanzen setzen, das ist nichts für mich.

Die Miete, die ich jetzt zahle, reicht bei dem Teil wahrscheinlich knapp fürs Gästeklo allein; aber Mondheim wird mich nicht davon abhalten können, wenigstens auf das als etwas eigenes blicken zu können. Und ein paar Quadratmeter vom Flur lege ich noch drauf; schließlich zahlt mein Chef gut. Wir geraten beinahe in Streit, als ich ihm das auseinandersetze, er ist jedoch klug genug, am Ende nachzugeben. Ich komme ihm dafür insoweit entgegen, als er die Kaution und die Maklergebühren allein übernehmen darf. Meine finanzielle Unabhängigkeit ein bisschen bewahren heißt ja eben nicht, sie bis an die Grenzen zu strapazieren und sie dadurch vielleicht wegen Überbeanspruchung zu verlieren. Schließlich ist garantiert noch etliches an neuen Möbeln anzuschaffen, und daran werde ich mich beteiligen. Außerdem steht ja noch die Kleiderschrankinhaltserneuerung an.

Ach, sagte ich das schon? Wir nehmen die Wohnung.

Einziehen können wir gleich; jedenfalls wenn wir die Miete auch für diesen Monat übernehmen.

Ich gerate in helle Aufregung. Wie soll ich das bloß machen, so schnell alles zusammenpacken und die Dinge mit meinem Vermieter regeln? Ich brauche mindestens eine volle Woche, meinen Kram in Kisten zu stopfen, und die dreifache Zeit, sie in ihrer neuen Heimat wieder herauszuholen, und ich kann ja wohl schlecht Urlaub nehmen.

„Keine Hektik,“ mahnt Mondheim. „Wir kriegen das hin. Ich rufe einfach nachher die Hoffmann an und frage, ob sie bei Silvia ein paar Tage entbehrlich ist. Dann kann sie mein Zeug einpacken und deines auch und uns später beim Einrichten helfen. Den Rest macht die Umzugsfirma.“

Wie einfach sich praktische Schwierigkeiten mit den richtigen Mitteln überwinden lassen. Der Gedanke, dass die Hoffmann meine Slips in die Hand nimmt, die Stücke, die hässlich und lächerlich sind und trotzdem aufgehoben werden müssen, weil Erinnerungen damit verbunden sind, löst allerdings entsetztes Unbehagen aus.

Geld müsste man haben. Er hat es. Aber darf ich daran einfach so partizipieren? Der kleine Sozialist in mir sträubt sich. Doch meine Bequemlichkeit gewinnt leicht die Überhand. Ich beschließe, von meinem Kram das Meiste selbst zu machen, mir aber doch so viel Unterstützung wie möglich zu leisten. Ob sie meine paar Töpfe und Teller sieht oder nicht, ist ja nun wirklich weniger von Bedeutung.

Am nächsten Morgen organisiere ich ein paar Umzugskartons und beginne mit den Inhalten, die mir am peinlichsten sind. Mein Chef ist zwar pünktlich ins Büro, hat mir aber den Vormittag freigegeben.

Mein Vermieter ist brummig, bemüht sich jedoch trotzdem gleich nach oben (er wohnt im Erdgeschoss), damit ich ihm die schriftliche Kündigung überreichen, so gerade noch den entscheidenden dritten Werktag erwischen und mit ihm alles absprechen kann, was nötig ist. So wie es aussieht, sind wir noch diese Woche weg, so dass er die Wohnungsbesichtigungen selbst organisieren muss. In das Packchaos kommt mir definitiv keiner rein. Da er aber die Miete bis August kriegt, kann er sich eigentlich nicht beschweren.

Im Prinzip müsste ich beim Auszug renovieren. Mit viel Überredungskunst gelingt es mir jedoch ihn breitzuschlagen, dass er einfach meine Kaution behält und ich dafür außer Putzen keinen Handschlag tun muss, wenn erst einmal alles leer ist.

Das Einpacken geht erstaunlich flott voran, obwohl ich vorher ja auch erst noch organisieren muss, was wann wieder benötigt wird und wohin es also kommt. Bis zum Mittag stehen im Wohnzimmer ein paar brechend volle Reisetaschen mit dem, was ich sofort brauche, und etliche fertige Kisten. Gemütlicher macht das den Raum natürlich nicht.

Außer den großen Teilen für die Möbelpacker – hoffentlich haben die etwas zum Schutz für meinen PC, den ich völlig selbständig demontiert habe; selbst ist die Frau – fehlt jetzt nur noch die Küche. Nachdem alles so schnell gegangen ist, beschließe ich, die doch heute und morgen Abend selbst zu übernehmen, dann kann die Hoffmann sich ganz auf Daniels Sachen konzentrieren.

Fragt sich nur, wie Mondheim es schaffen will, so kurzfristig einen Möbelwagen zu organisieren.

Nun, er hat nicht geprahlt, als er mir sagte, er sei gut im Organisieren. Als ich um halb eins im Büro auftauche, liegt ein Zettel auf meiner Schreibtischunterlage. Schon am Donnerstag ist es soweit (Hilfe! Das ist ja bereits übermorgen!), und eine Telefonnummer ist auch notiert, falls ich Rückfragen habe.

Ich bin aufgeregt wie ein kleines Kind am Geburtstag oder vor einem Ausflug.

Obwohl momentan etwas ganz anderes im Vordergrund steht.

Mondheim hat den Zettel, den er selbst geschrieben hat, nämlich mit einem kleinen Herzchen verziert und einem Pfeil mitten hindurch. Etwas, das mich tief genug berührt, meine Augen vorübergehend feucht werden zu lassen.

Bei dieser Gelegenheit stelle ich auch fest, er kann erstaunlich gut zeichnen; richtig dreidimensional, mit Tiefe und allem. Scheint in der Familie zu liegen, diese Begabung. Dagegen sollte ich mich mit meinen Kinderzeichnungen eines Herzens, wie ich sie allenfalls zustande brächte, gewaltig zurückhalten. Dafür sende ich ihm ein IOU per SMS. Herzchen als Sonderzeichen hat das Teil ja leider nicht. Wobei die zweite Auslegung von IOU ebenfalls hinkommt; sehr viel sogar schulde ich Mondheim für all das, was er für mich, für uns tut.

Tja, da sieht man die Unterschiede – Liebeserklärung altmodisch, oder per moderner Kommunikation. Seine Art ist mir lieber; ganz eindeutig. Den Zettel werde ich gleich in die Kassette packen, in der ich alles aufbewahre, woran mir wirklich viel liegt. Neben so profanen Dingen wie meinen Zeugnissen, auf die ich nun einmal furchtbar stolz bin, auch kleine Erinnerungen wie das Tagebuch, in dem ich meine erste große Liebe verewigt habe, das getrocknete Sträußchen vom Abschlussball der Tanzschule, diverse Mini-Stofftiere, deren Herkunft ich zum Teil schon gar nicht mehr weiß, aber das ändert ja nichts, die kleine Broschüre von dem Krankenhaus, in dem ich die Operation hatte, diverse Briefe, meistens Liebesbriefe, und das kleine Blatt, auf dem Evelyn und ich unsere Blutsschwesternschaft besiegelt haben. Zweimal – einmal für sie, und einmal für mich. Mit viel Lachen, viel Verlegenheit, und ganz ernst gemeint.

Abends wird Mondheim erst spät kommen, während ich mich schon um vier davongestohlen habe. Er ist im Haus, die Hoffmann informieren, was dort zu tun ist. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken daran, wo er ist, aber dass er noch nicht da ist, ist mir ganz recht. So kann ich weiter packen, ohne die Verführung einer weit angenehmeren Tätigkeit vor Augen zu haben, und die ersten Listen machen. Nötige Neuanschaffungen Doppelpunkt: Geschirr brauchen wir ordentliches, dito Besteck und Töpfe. Als Bett taugt seines eher; meines können wir dafür vorübergehend ins Wohnzimmer stellen; das ist dann Sofa und Notübernachtung gleichzeitig. Unsere Schränke werden ein interessantes Stilgemisch ergeben, aber immerhin haben wir ausreichend Stauraum für Klamotten; die Vereinheitlichung kann auch später noch kommen. Arbeitszimmerkram für beide ist da, ebenfalls Sitzgelegenheiten. Nachdem wir ohne räumliche Beschränkung leben müssen – die Wohnung hat fünf große Zimmer – können wir auch Arbeit und Vergnügen mehr entzerren, als es bisher bei uns beiden der Fall war. Zumal wir beide zu dem Schluss gekommen sind, dass uns am liebsten ein gemeinsames Arbeitszimmer ist, also nicht jeder eines braucht.

Fehlt noch ein Esstisch. Mein Plastiktisch ist ja nun nicht besonders schön, und die drei Stühle gewinnen auch keinen Schönheitswettbewerb mehr. Na, mal sehen – fürs Erste hat die neue Küche eine brauchbare Sitzecke mit Bank, der Rest wird folgen.

Die Balken auf seinem Dachboden werden mir fehlen. Der Rest seiner Ausstattung wird wohl mitkommen; ich glaube nicht, dass gnä‘ Frau und Grübingen die brauchen.

Eigentlich, so stelle ich fest, brauchen wir doch gar nicht so viel, um vollständig zu sein. Bis auf Küchenkram. Als leidenschaftlicher Onlinebesteller stürze ich mich gleich auf mein Notebook – privater Gebrauch ist ausdrücklich erlaubt; nicht dass Sie denken – und begebe mich auf die Suche. Ich mag ja das bunte Zeug. Ist nicht Mondheims Preisklasse und sicher auch nicht sein Geschmack; aber wir werden uns da schon irgendwie einig.

Ich jedenfalls treffe schon einmal eine Vorauswahl, einmal blau, einmal schlicht weiß (und erheblich teurer) und einmal bunt gemischt, dann noch zwei verschiedene Sorten stabiles Besteck. Nachher führe ich ihm dann alles vor, und er soll die endgültige Entscheidung treffen.

Fehlen noch Töpfe. Ja, Töpfe. Was soll man da nehmen, wenn man bisher nicht gekocht hat? Was für ein paar Eier und Tütensuppen taugt, ist gewiss nichts für ein richtiges Mahl.

Ah, ich weiß was. Ich rufe meine Mutter an. Bei der Gelegenheit kann ich ihr gleich en passant unterjubeln, dass sie mich nur noch wenige Tage in der alten Wohnung erwischt, weil ich mit einem Mann zusammenziehe. Apropos – Telefon ist schon angemeldet; ich war produktiv gestern Morgen. Wahrscheinlich gibt es den Anschluss erst nächste Woche. Aber erstens haben wir unsere Handys, und zweitens mein Notebook, das einen solchen Schnickschnack gar nicht braucht.

Meine Mutter fällt natürlich aus allen Wolken und examiniert mich beinahe eine Dreiviertelstunde lang. Immerhin verspricht sie am Ende, sich um die Küchenausrüstung kümmern; sie kennt da einen guten Laden, der müsste alles dahaben. Was natürlich bedeutet, sie wird das ganze Zeug am Freitag oder Samstag persönlich abliefern. Erstens weil man der Post sowieso nicht trauen kann, zweitens weil das Verschicken zu teuer wäre, und drittens, um meinen neuen Galan in Augenschein zu nehmen. Ich freue mich jetzt schon. Gut, irgendwie wird es sich überstehen lassen. Früher oder später muss es ohnehin sein. Dann kann sie auch meinen Vater entsprechend aufklären, der für etwas so Unwichtiges wie das Zusammenziehen der Tochter mit einem Mann bestimmt nicht aus dem Haus zu kriegen ist.

Was fehlt noch? Richtig, ja, Himmel – die ganzen An- und Abmeldungen. Glücklicherweise geht inzwischen das Meiste ja online, aber ein paar Briefe muss ich morgen im Büro doch noch ausdrucken. Die Umschläge mache ich schon einmal fertig, dann kann ich in der Mittagspause zur Post gehen.

Damit wäre auch das abgehakt. Das Stromablesen übernimmt mein Vermieter (und wehe, er schummelt!), die Nebenkostenabrechnung kommt irgendwann.

Fertig.

Ein wenig wehmütig sehe ich mich in den vier Wänden um, die doch einiges gesehen und miterlebt haben von mir in den letzten Jahren. So wie es jetzt hier aussieht, mit Kistenstapeln und klaffenden Schranktüren, sollte ich der Wohnung eigentlich keine Träne nachweinen, aber es berührt mich doch.

Auch der Aufbruch in etwas Schönes ist nun einmal ein Aufbruch, bei dem man etwas zurücklässt.

Meine melancholische, erschöpfte Befriedigung angesichts des enormen Pensums, das ich erledigt habe, verschwindet schlagartig, als ich nach seiner Rückkehr Mondheims Gesicht sehe.

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