Heimchen am Herd …

28. Juni 2013

Ich rufe Katrin an und verlange nach Jürgen, denn der ist bei den beiden der Koch. Anders als sie vorher (sie quetscht mich erst einmal nach allen Regeln der Kunst aus, aber ich weigere mich, viel zu verraten) fragt er nicht viel, als ich knapp erkläre, was ich brauche. Er überlegt kurz und rät dann zu Lachsfilet mit Reis. Den Reis schaffe ich aus eigener Kraft, soweit bin auch ich schon in der Küche gekommen. Wie lange und wie ich den Lachs braten muss, welche Kräuter ich brauche erklärt er mir, und ich schreibe alles genau mit. Seine Idee ist klasse, und er kriegt ein Riesenkompliment. Der Vorschlag kostet wenig Arbeit, sieht keineswegs nach nichts aus, und zu viele Kalorien hat es auch nicht; Mondheim ist ja nicht gerade der Schlankste. (Sagte ich das schon? Ich liebe Bauchansatz; nicht irgendeinen – seinen.)

Und wie mache ich das jetzt? Habe ich alles schon fertig und halte es warm, bis er kommt? Nein, sagt Jürgen, ich soll nur den Reis vorbereiten und im Backofen warm halten. „Der Lachs braucht nur ein paar Minuten, und er wird trocken, wenn er zu lange liegt. So lange Zeit wird dein Verehrer doch haben, dass er sich das ansehen kann, wie du kochst, oder?“ Ich kann sein Grinsen förmlich hören. Jürgen ist der Meinung, Frauen könnten sowieso nicht kochen, und ich kann ihm da nur zustimmen.

Was er sagt, bringt mich auf eine Idee. Natürlich – das Kochen soll doch eine Art Strafe sein; da wird Mondheim sicherlich zusehen und es genießen können.

Alles Roger. Jürgen hat sich einmal Babysitting verdient. Aber nicht dieses Wochenende. Am Samstag habe ich schon etwas vor, und am Sonntag bin ich gewiss nicht in der Lage, mich um die Zwillinge zu kümmern – ganz gleich, was passiert ist.

Nachdem meine Zeit am Herd weder ein Hexenwerk sein noch allzu lange dauern wird, arbeite ich noch zwei Stunden, bevor ich ins nächste Einkaufscenter stürze. Lachs aus der Tiefkühltruhe, Reis, die Kräuter, frische Zitrone, eine Zitronenpresse, die mir in meiner spärlichen Ausrüstung noch fehlt, Weißwein, Wasser, Zwiebeln. Sicherheitshalber ein bisschen Eis für den Nachtisch. Schade, dass ich nicht weiß, was er gerne mag – so nehme ich meine Vorlieben als Orientierung.

Geschirr und Besteck in meinem Schrank sind nicht überragend, aber verkraftbar, und so widerstehe ich der Versuchung von Neuanschaffungen. Vier neue blaue Teller allerdings landen irgendwie doch in meinem Wagen. Servietten brauche ich noch – etwas in Blautönen, passend dazu. Weißweingläser habe ich.

Was noch? In der Drogerieabteilung stocke ich auf an Shampoo und Duschgel. Und wo ich schon einmal hier bin, packe ich ein bisschen Massageöl ein. Man weiß ja nie; vielleicht ist er nach dem Essen nicht zu Sex aufgelegt, sondern zu einer kleinen romantischen Massage. Halt – Kerzen hätte ich beinahe vergessen. Das verstaubte alte Zeug, was ich davon im Schrank habe, kommt mir nicht auf den Tisch. Kerzen, und zwei Kerzenhalter.

Energisch verbiete ich mir weitere Pläne, mein Wochenbudget durcheinander zu bringen und stürme zur Kasse. Um die Zeit muss ich lange warten. Ich vergehe beinahe vor Ungeduld. Endlich ist alles fertig, und ich rase nach Hause.

Was ich anziehe? Woher soll ich das wissen? Leggins und eine lange, bequeme Bluse mit kurzem Arm, denke ich. Schlicht und doch wirkungsvoll. Hoffe ich jedenfalls.

Um zehn vor acht ist der Reis zum Warmhalten im Ofen, die Zwiebeln sind geschnitten, die Filets vorbehandelt. Der Weißwein steht im Kühlschrank, der Tisch ist gedeckt, die Kerzen brennen. Musik gibt es keine. Ich kenne seinen Geschmack nicht, und da ist mir die Gefahr zu hoch, die Stimmung zu versauen.

Meine Hände zittern. Meine Knie zittern. Mein Magen flattert. Es ist die erste echte private Verabredung, die ich mit Mondheim habe. Wenn das kein Grund für ein bisschen Aufregung ist!

Fünf Minuten später klingelt es.

Ich öffne, und sein Anblick löst eine Sturmwelle aus. Ich fliege ihm so stürmisch um den Hals, dass er beinahe ins Schwanken gerät. Aber er fängt sich – und mich – schnell. Ich schließe die Augen, nehme seinen Geruch tief in mich auf, lausche auf sein Atmen, das auch nicht regelmäßiger ist als meines, flüstere seinen Namen, der mich den ganzen Tag begleitet hat.

Es dauert ein paar Minuten, bis ich ihn endlich hineinbitte. Und den kleinen Blumenstrauß in Empfang nehmen kann, den er mitgebracht hat, und den ich beinahe zerdrückt habe in meinem Überschwang.

Es ist alles ein wenig peinlich in der Küche; vor allem, als ich mich an die Pfanne begebe. Erst fällt mir der Pfannenheber aus der Hand, dann schütte ich die Zwiebeln daneben. Das erste Mal wird es mir bewusst, wie verschieden wir sind; wie unterschiedlich unsere Stellung, unsere Position – und zwar nicht im Rahmen eines erotischen Spiels, sondern überhaupt. Da fehlt jede selbstverständliche Vertrautheit unter Gleichen, die alles erleichtern würde.

Meine Aufregung hält an, bis er vom Tisch aufsteht und hinter mich tritt, seine Hände auf meine Taille legt. Weg ist sie danach auch nicht, aber sie wird ersetzt durch eine ganz andere Art der Aufregung. Einen Augenblick lang neige ich mich zurück, gegen seinen Körper, gegen seine Festigkeit, seine Stabilität.

„Geht es dir gut?“ fragt er. „Jetzt schon,“ antworte ich. „Ich weiß, dass es nicht einfach ist,“ erklärt er gegen mein Haar. „Sei einfach du selbst.“ Er lehnt sich neben mir gegen den Schrank.

„Wie war dein Tag?“ frage ich. Irgendwie müssen wir einen gemeinsamen Boden finden. Es ist seltsam, wir haben soviel gemeinsam, aber nicht im Alltag des Existierens. Kochen, Fernsehen, Reden.

„Es gibt ein paar neue Pläne, die ganz brauchbar voranschreiten,“ erklärt er. „Und genau darüber will ich mit dir reden. Es muss nicht jetzt sein.“ „Warum nicht jetzt? Es interessiert mich.“ „Heute Abend sind wir privat zusammen; so gerne ich auch über die Arbeit doziere, ich will dir nicht den Abend verderben.“

Impulsiv wende ich mich ihm zu, weg vom Herd. „Daniel, das ist nicht den Abend verdorben, wenn wir über Geschäfte sprechen. Ich denke, es geht uns beiden so, dass es keine scharfe Trennung zwischen Arbeit und Privatleben gibt. Es gehört beides dazu.“ Er lächelt. „Ja, das ist eines von den Dingen, die wir gemeinsam haben. Gut – also, ich plane, einen kleinen Verlag aufzumachen, angeschlossen an das Anzeigenblatt, allerdings nur organisatorisch. Das bietet sich an – dort ist das ganze Wissen für das Printing bereits vorhanden. Vom Grundsatz her ist der Verlag aber als ganz eigenständiges Gebilde geplant.“

Die nüchternen Worte lösen ein kleines Prickeln in meinem Bauch auch. „Ein Verlag wofür? SM-Literatur? Mit Teermanns Buch und SirtaMs Roman als dem Anfang?“

Seine Finger streichen über meinen Ellbogen, und auf der Innenseite hinab bis zu meinen Händen. „Ich liebe es, wie schnell du etwas durchschaust. Ja, genau das. Aber vergiss deinen Lachs nicht.“

„Oh Gott!“ Schnell wende ich die Filets. „Wie wäre es,“ schlägt er vor, wenn wir einfach die Plätze tauschen? Im Gegensatz zu dir koche ich nämlich gerne und komme nur meistens nicht dazu. Du kannst uns ja in der Zwischenzeit das Glas Wein holen, das du mir vorhin angeboten hast.“

Ich gehe zum Kühlschrank. Ein neuer SM-Verlag! Ja! Warum denn nur Publikationen vermitteln, warum sie nicht selbst machen? Das ist die perfekte Ergänzung zu Portal und Printmagazin. Die SM-Verlage, die existieren, sind ausgebucht – aber es gibt noch so viele gute Texte in dem Bereich. Reich werden kann man damit sicher nicht. Aber Mondheim scheint sich ja mehrere Hobbys zu leisten, bei denen er nicht auf den Profit sieht, sondern darauf, dass er etwas macht, hinter dem er steht. Vor hundert Jahren wäre er sicher nicht nur einer der skrupellosesten Kaufleute der Stadt gewesen, sondern auch der großzügigste Kunstmäzen.

„Was hältst du davon, Anne?“ Vor lauter Begeisterung stottere ich ein wenig. „Es ist genau das, was bislang gefehlt hat. Portal, Printmagazin, Feste mit Lesungen – und dazu dann der Verlag. Er wird alles andere ergänzen und bereichern. Eigentlich gehört alles dazu, um das Bild rund zu machen.“ „Exakt,“ bestätigt er. „Wir werden den normalen Verlagen keine Konkurrenz machen können, und das ist auch gar nicht nötig. Wir brauchen keine Hunderttausender Auflagen – wir wollen nur Bücher auf den Markt bringen, gute Bücher, die sonst keine Chance hätten und allen vorenthalten bleiben. Wir werden für die Szeneverlage keine Konkurrenz sein, denn ich plane etwas ganz anderes, wenn du einverstanden bist. Keine mechanischen Sessionbeschreibungen, keine haarsträubenden Fantasiegeschichten, wie man sie überall findet, sondern echte Belletristik. So etwas wie SirtaMs Buch. Geschichten, die etwas aussagen wollen. Die nicht nur geschrieben worden sind, um den Schwanz zufrieden zu stellen. Oder Sachbücher, die es in dieser Form noch nicht gibt. Nur wenige Bücher, aber dafür solche, die zumindest vom Inhalt her vor jedem anderen Verlag bestehen könnten – nur dass sie dafür eben zu unanständig sind. Natürlich bemühen sich darum auch die anderen Szeneverlage; nur haben wir einen Vorteil – wir müssen uns um den Gewinn keine Gedanken machen. Es soll schon irgendwann einmal eine gewisse Wirtschaftlichkeit erreicht werden, aber das ist nicht die Hauptsache. Bei den Großhändlern reinzukommen, ist kein Problem, das habe ich schon abgeklärt. Und wenn wir mit den Coverbildern aufpassen, dass sie nicht zu eindeutig die Vorurteile bedienen, weder die der SM’ler, noch die der anderen, dann haben wir eine Chance, ganz ordentliche Auflagen zu verkaufen. Ich werde sämtliche Beziehungen spielen lassen.“

Der Lachs scheint fertig zu sein, und wie abgesprochen übernehme ich wieder, bringe das Essen auf den Tisch.

„Auf den neuen Verlag,“ sage ich und hebe das Glas. Wir trinken einander zu. „Ich dachte mir das so,“ sagt er, „dass ich den Vertrieb selbst in die Hand nehme, weil ich viele Kontakte gar nicht erst aufbauen muss. Und du übernimmst alles andere, vor allem das Lektorat. Wenn es dich interessiert.“ „Wenn es mich interessiert? Ich brenne darauf! Aber, Daniel, ich habe nicht die geringste Ahnung vom Verlagsgeschäft!“ „Du verstehst etwas von Texten. Du kannst auswählen, und du kannst lektorieren. Alles andere kommt mit der Zeit. Ich habe auch noch keine Ahnung, wie das Publikum auf unsere Auswahl reagieren wird, die ja sicher nicht ganz das Gewohnte sein wird – das müssen wir beide gemeinsam beobachten und entsprechend alles überdenken, wenn sie gar nicht ankommt. Alles andere ist etwas, das du schnell lernen willst. Du musst nichts davon allein machen. Es gibt für alle Aufgaben Leute, die sich auskennen, und die uns unterstützen.“

Ein Haken ist bei der Sache. „Und Deinar?“ Er seufzt. „Deinar – ja, das ist ein Problem. Ich hoffe, das Platzhirschgerangel ist jetzt erst einmal vorbei, aber natürlich wird er Ärger machen und erst einmal gar nicht kooperieren wollen oder nur widerwillig. Ich weiß noch nicht, wie wir das Problem lösen können. Vielleicht fängt er sich noch, bis es soweit ist. Das sind ja keine Pläne, die morgen schon greifen. Wenn er allerdings so kratzbürstig bleibt, besorge ich ihm einen anderen Job.“

„Mit anderen Worten, du wirfst ihn raus,“ bemerke ich. „So könnte man es auch sagen. Aber keine Angst, ich werde etwas für ihn finden, dem er nicht widerstehen kann. Deinar ist ehrgeizig, und bei diesem Ehrgeiz kann ich ihn notfalls packen.“ „Wo willst du ihn einsetzen?“ „Ich werde ihn gar nicht einsetzen, sollte es soweit kommen. Wenn er beim Blatt rausfliegt, weil er seine Bockigkeit über seine Arbeit stellt, dann hat es sich für mich. Allerdings wird es kein Problem sein, einen neuen Arbeitgeber für ihn zu finden. Er hat jetzt schon einiges an Kontakten, und wenn er geschickt ist, muss ich womöglich nicht einmal mehr nachhelfen.“

Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendetwas fasziniert mich an dieser Härte, mit der Mondheim sein Leben inklusive seiner Geschäfte und seiner Mitarbeiter dirigiert.

„Du weißt, weshalb er so furchtbar wütend ist?“ fragt er nun. Ich schüttele den Kopf. „Nein, eigentlich nicht.“ Mondheim lehnt sich zurück, und ich nehme endlich eine Gabelvoll. Gar nicht schlecht, der Lachs – war ein guter Tipp von Jürgen.

„Die Schwierigkeiten zwischen euch beiden kamen doch unter anderem daher, dass es für dich überhaupt nicht in Frage kam, bei ihm die Subrolle zu übernehmen.“ Ein Blitz erhellt meine Gedanken, und ich bekomme erneut den Anfang eines Fadens zu fassen. „Ach so! Du meinst, ich habe ihm erklärt, ich bin keine Sub – und jetzt sieht die Antwort für ihn so aus, ich bin doch eine, nur nicht seine.“ Er nickt. „Genau.“ Laut denke ich weiter nach. „Ich gebe zu, auf den ersten Blick wirkt es vielleicht tatsächlich ein wenig merkwürdig. Aber ich glaube, in die devote Rolle wird man nicht hineingeboren, und das ist auch nichts, was man lebt – bis man denjenigen gefunden hat, dem man wirklich bereit ist, sich zu unterwerfen.“ „In bestimmten Bereichen,“ korrigiert er mich. „In bestimmten Bereichen – und in bestimmten Situationen. Ich gebe zu, ganz allgemein, als Vorstellung, widerstrebt mir die Subrolle zutiefst. Vor allem weil viele so genannte Doms daraus ja eine automatische Unterlegenheit herleiten wollen, die umfassend ist und überall durchschlägt.“

Ich lege die Gabel beiseite. „Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich erkenne, wie viel Reichtum darin liegen kann, sich jemandem hinzugeben. Sich ihm unterzuordnen.“ Ich verbessere mich. „Mich Ihnen unterzuordnen.“ Er sieht mich nur an. „Das sind Empfindungen, die mir – völlig neu sind. Und sie wären vorher so nicht möglich gewesen, nicht einmal denkbar. Weil sie ganz ausdrücklich und ganz speziell mit Ihnen zusammenhängen. Ich will nicht die Unterwerfung schlechthin – ich will sie nur, ausschließlich bei Ihnen.“

Auch seine Gabel wird niedergelegt, er greift nach meiner Hand, berührt den Handrücken mit seinen Lippen. „Ich danke dir, Anne.“

***

Das Essen ist letzten Endes kein Erfolg, obwohl es gut ist. Wer soll denn essen können, wenn soviel in der Luft liegt?

Der Handkuss führt zu einem richtigen, ziemlich unbequem am kleinen Küchentisch, und dann nehmen wir die Weingläser und die Kerzen mit ins Wohnzimmer. Nun wage ich es doch, Musik aufzulegen; Barbra Streisand, die auch ihm recht ist. Wie viel wir noch lernen müssen voneinander. All die Details, die sonst zuerst kommen und nicht erst später.

„Ich habe einen Vorschlag,“ wage ich endlich zu sagen. „Ich weiß nicht, ob Sie es mögen – aber Sie hatten einen ungeheuer anstrengenden Tag, und ich habe Massageöl besorgt.“

Er lehnt sich zurück, verschränkt die Arme hinter dem Kopf. „Ich ahne schon – du hast heimlich jemanden nach meinen Vorlieben befragt.“ Sein Jackett ist irgendwo verloren gegangen, und ich muss an mich anhalten, nicht über ihn herzufallen. Nein, ich hatte eine Massage geplant; genau das, was ich mir wünschen würde, wenn ich eine Nacht kaum geschlafen habe und es der Abend darauf ist, wo die letzten Reste der Disziplin beginnen zu versagen; vor allem nach einem kleinen Glas Weißwein.

Nichts gegen Sex, aber Sex ist nicht alles. Ich will mehr. Mehr haben – und mehr geben. Rasch hole ich die kleine, sündhaft teure Flasche, knie mich vor ihn, lege beide Hände gegen seine Brust. „Darf ich?“ Er greift nach seiner Krawatte, öffnet den Knoten, zieht sie über den Kopf, lässt sie achtlos auf den Boden fallen, umschließt meine Hände, führt sie zum obersten Hemdknopf.

Einen kleinen weißen Kreis nach dem anderen öffne ich, streiche mit den Handflächen über den Stoff, über seine Haut mit den wenigen, seidigen, ergrauten Haaren, folge den Händen mit dem Mund. Er beugt sich vor, ich ziehe das Hemd aus dem Hosenbund, gemeinsam entfernen wir es vollständig. Ich hoffe, ich habe mich nicht überschätzt. Sex ist doch nicht so unwichtig, stelle ich fest.

Er macht es sich auf dem Bauch bequem; ein Bettsofa hat wirklich so seine Vorteile. Vor allem hat meines viel Platz. Ich setze mich auf die Kante, genieße erst einmal Haut pur. Am Hals ist er sehr empfindlich; das habe ich beim letzten Mal schon bemerkt. Mit viel Mühe gelingt es mir, das nicht über Gebühr auszunutzen.

Und nun her mit dem Öl. In der Hand wärme ich es an, verteile es dann sorgfältig. Noch weiß ich nicht, wie er es mag, deshalb taste ich mich langsam heran. Etwas fester scheint es besser zu sein. Ich liebe seine Schulterblätter, seine Oberarme, an denen sich die Muskeln abbilden, die Stelle am Rücken, an der das Rückgrat sich beginnt, in der entstehenden Vertiefung abzuzeichnen. Ich versinke in meiner Aufgabe, bis mich sein Laut absoluten Wohlbehagens mitten in den Solarplexus trifft. Nein, ich werde jetzt nicht aufhören und zu anderen Dingen übergehen. Ich weiß, dass ich feucht bin; nass beinahe schon, und aus der Gier nach ihm ist ein Schmerz geworden. Ein wunderbarer Schmerz. Ich streichele, massiere weiter.

Irgendwann merke ich, er ist eingeschlafen, und es berührt mich ganz eigenartig, dass er mir so sehr vertraut.

Es gibt nur ein Problem – ich werde ihn irgendwann wecken müssen. Er gehört zu mir wie ich zu ihm, aber er gehört nicht nur zu mir.

Aber noch nicht, noch nicht. Sachte stehe ich auf, hole aus dem Bettkasten meine Sommerdecke, breite sie über ihn, lege mich vorsichtig neben ihn. Im Schlaf dreht er sich leicht, mir zu, mit einem Arm auf mir. Ich verberge das Gesicht an seinem Hals, schließe die Augen. Ich muss wach bleiben, ich darf nicht auch schlafen. Nur schweben, schweben darf ich.

Irgendwann, ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, rührt er sich, und ich schrecke hoch. Die CD läuft gerade zum x-ten Male.

Es ist, als ob ein Raubtier erwacht.

Binnen Sekunden stehe ich unter Strom. Kurz darauf bin ich kleiderlos, und er ebenfalls. Es ist nichts mehr da von der Sanftheit der Massage. Meine Hände liegen über dem Kopf, er ist auf mir, und ich kann mich nicht rühren. Seine Hände halten meine eisern fest, seine Arme lasten auf meinen Schultern. Eine Mischung aus Frustration über die Bewegungslosigkeit und Lust lässt mich aufschreien.

Der erste Schrei öffnet die Tür, meine Selbstkontrolle geht zum Teufel. Der Drang nach Bewegung, die meinen Muskeln unmöglich ist, explodiert in mir in glühenden Spiralen, trägt mich nach oben, in eine schwindelerregende Höhe. Eine weitere Explosion, als er mit einem Stöhnen kommt, jagt mich weiter, immer weiter, zum Fliegen ohne Flügel.

Einen kurzen Augenblick lastet sein volles Gewicht auf mir. Ich möchte ihn festhalten, festhalten, doch schon entzieht er sich, gibt meine Arme frei, stürzt sich dafür auf die geschwollene Hitze, aus der er sich gerade zurückgezogen hat. Regenbogenfarben flimmern auf meinen geschlossenen Augenlidern. Meine Muskeln zucken in erzwungener Ruhe; mein Oberkörper ist frei, und doch liege ich ganz still, versuche es zumindest. Die Impulse brennen innen, verbrennen, ich erkenne meine Stimme nicht mehr, die hinausschreit, was ich nicht verstehe. Dann die dritte Explosion, brausend wie das Meer, das einmal gegen die Küste schlägt und wieder und wieder.

Ich zittere vor Kälte, meine Wangen sind unerklärlich nass, und dann ist er wieder vollständig da, ganz dicht, ganz nah, hält mich, hält mich, packt die Decke um uns beide.

Sein Name ist das erste, was ich sagen kann. Noch mehr will ich sagen, doch er verschließt mir den Mund mit einem sanften Kuss. „Sch! Sag nichts.“ Ich klammere mich an ihn, den einzigen festen Punkt in den wirbelnden Nachbeben.

Irgendwann, viel später, bin ich wieder ruhig. Sein Gesicht unter meinen Fingerspritzen ist rau; ich denke daran, wie er sich morgen früh rasieren wird, sich vorbereiten auf einen weiteren Tag. Nicht hier, nicht bei mir, sondern woanders. Aber das macht nichts. Er ist da, er existiert, und nur das ist wichtig.

Bald wird er aufbrechen müssen, und ich werde zurückbleiben mit seinen Blumen, mit seinem Geruch, unserem Geruch überall an mir, und es wird genug sein, an ihn denken zu können. So wie er an mich denken wird.

***

Sie haben sich schon gefragt, wie es mit der Verhütung ist? Ja, das möchten Sie gerne wissen, nicht wahr? Natürlich nehme ich die Pille. Ich will keine Kinder; zumindest noch nicht. Und ich hasse Kondome, ebenso wie die meisten Menschen. Da gibt es nur eines. Es mag zynisch sein, sich auf diese Weise ständig bereit zu halten. Aber Vorsorge ist besser als Reue, und eine Abtreibung, nachdem mit einer anderen Methode etwas schief gegangen ist, ist genug.

Nein, ich finde nicht, mein Bauch gehört mir. Oder, doch, ja, mein Bauch vielleicht. Aber das Wesen, das entstehen kann, das gehört beiden, dem Mann und der Frau. Nur, er, derjenige, der sich drohte, auf diese Weise zu mehren, der wollte damit ohnehin nichts zu tun haben. Und ich wollte kein Kind. Ende der Diskussion; eigentlich geht Sie das gar nichts an. Ich wollte es nur erklären, warum ich da auf Nummer Sicher gehe.

Und natürlich hat Mondheim sich erkundigt; schon beim ersten Mal. Wofür halten Sie ihn? Für einen Glücksritter?

Und was ist mit Aids, kommt nun bestimmt als nächstes. Ja, ja, ich weiß – die Folgen der sexuellen Befreiung ersticken die gewonnene Freiheit. Die Revolution frisst ihre Kinder, das ist doch meistens so.

Mein Test ist drei Monate alt; mein letzter Sex, vor Mondheim, vor Daniel, das ist fast ein Jahr her.

Nein, ich habe ihn nicht dazu befragt. Ich sagte doch schon, er ist kein Glücksritter. Ich glaube zu wissen, er ist keineswegs wahllos in dieser Beziehung, und auch kein Rekordhalter in der Anzahl. Bleibt seine Frau. Doch, ist mir bekannt – das reicht bereits als Eintrittspunkt für den winzigen Virus. Aber wenn Daniel auf jemanden noch mehr aufpasst als auf sich selbst, dann bin ich das. Und wenn es mich erwischt, durch ihn – dann wird das eben so sein. Davor schützt mich auch kein Test, denn seine Frau ist ein Dauerzustand, auch sexuell. Vermute ich jedenfalls.

Zweifeln Sie ruhig; anders als Sie vertraue ich ihm.

Diesmal ist es erst kurz nach Mitternacht, als ich ins Bett krieche. Ohne Laken; ich will die Wärme noch genießen, die wir dem Stoff aufgedrückt haben. Am Morgen trägt meine Wange dessen Falten.

Es ist Freitag. Morgen ist Samstag. Samstag …

Inzwischen habe ich freie Hand, was kleine Gegenleistungen für die Mitarbeit am Portal angeht. Und ich darf Teermann bereits von dem geplanten Verlag berichten. Er ist ganz aus dem Häuschen. Bisher hatte er nur eine nebulöse Zusage, dass man sich bemüht, nun ist das fertige Buch in greifbare Nähe gerückt. Ich nutze seine Begeisterung aus. „Was hältst du davon, Peter – ich mache tatsächlich noch ein paar Ergänzungen, und dafür kriege ich meine medizinische Beratung für das Portal?“ Warum soll ich ihm etwas zahlen, wo es doch schon längst etwas gibt, das ich ihm geben kann, und das ihm sicherlich einiges bedeutet. „Ich hatte doch schon längst zugesagt,“ protestiert er. „Es tut mir Leid, dass ich so unwillig war zuerst. Ich habe mir die Idee noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen; sie ist wirklich gut und sinnvoll. Das mache ich auf jeden Fall. Dafür musst du dir nicht soviel Arbeit machen!“

„Das will ich aber,“ erwidere ich, und damit ist die Sache perfekt.


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