Traute Familie und eine SM Boutique

12. Oktober 2013

„Du hast sie doch sicher in Schutz genommen,“ entgegnet Katrin spitz. Daniel macht die Augen schmal. „Das musste ich gar nicht, Katrin. Anne kann sich selbst verteidigen.“

Sie lacht spöttisch. „Gegen Silvia? Das glaubst du doch selbst nicht. Was ist sie denn schon, gegen deine Frau? Eine kleine Angestellte, die sich ihren Chef geangelt hat, um schneller die Karriereleiter hoch zu fallen. Nichts hat sie vorzuweisen, nichts. Oder ist sie so gut im Bett?“

„Besser als du mit Sicherheit, aber das ist ja auch keine Kunst,“ pariert Daniel.

„Katrin, Daniel, nicht,“ bittet Joachim. „Könnt ihr euch denn nicht einmal treffen, ohne euch zu streiten?“

Es wird Zeit, dass ich mich selbst zu Wort melde. „Meinetwegen könnt ihr beide euch streiten – wenn Joachim und ich solange abhauen dürfen. Meine Fähigkeiten im Bett sind sicherlich ein überaus anregendes Gesprächsthema, nur möchte ich mich da gerne zurückhalten, sonst bin ich noch versucht, eine Livevorführung zu geben.. Aber eines will ich doch noch sagen. Sind Sie ernsthaft der Meinung, Katrin, ihr Schwager sei ein so dämlicher Hund, dass er auf jedes Arschgewackel und jedes Tittenschwingen reinfällt, seinen Ruf riskiert, den Krach mit seiner Frau, mit Ihnen und anderen, und das alles nur für einen Service, den er sich besser und viel diskreter in jedem Puff kaufen kann?“

Daniel schüttelt sich vor Lachen, und Joachim hustet verräterisch.

„So, können wir jetzt endlich Kaffeetrinken?“ mache ich gleich weiter. „Die letzte Woche war überaus anstrengend, von gestern ganz zu schweigen. Mir ist nach ein bisschen Ruhe im trauten Familienkreis.“

Joachim reagiert wie abgesprochen auf das Stichwort, nimmt meinen Arm und führt mich ins Wohnzimmer. Nach den riesigen Hallen im Mondheimschen Haus wäre der kleine Raum selbst mit weniger geschmackvoller Einrichtung die Gemütlichkeit in Person.

Eine Weile hält Katrin sich zurück; selbst mir ist jedoch klar, das wird nicht von Dauer sein. Das erste Gesprächsthema am Kaffeetisch ist Hartmut. Trotz aller kritischen Bemerkungen über dessen Lebensstil ist schnell offensichtlich, Joachim ist ganz furchtbar stolz auf seinen Sohn. Nächsten Monat werden die beiden ihn besuchen. Oje – hoffentlich fliegt dabei nichts auf von dem, was sie nicht wissen sollen.

Von Hartmut zu Geschäften ist es kein weiter weg, und schon legt Joachim los mit einem Vortrag über den Unsinn, Geld für so wichtig zu halten, dass man sich damit die Seele abkaufen lässt. An sich kann ich ihm weitgehend nur aus vollem Herzen zustimmen. Und dass er mit dem Geplänkel auch seinen Bruder provozieren will, macht eigentlich gar nichts. Die beiden verstehen sich, das merkt man. Kleine Streitereien gehören einfach dazu.

Endlich kommt die Rede auch auf Joachims Bilder. Katrin, das bekomme ich nebenbei mit, töpfert. Das interessiert mich ja nun weniger, aber Joachims Angebot, mir sein Studio anzusehen, nehme ich gerne an.

Es gefällt mir sehr, was er macht. Sehr farbenfroh, und alles eine Mischung aus beinahe fotorealistischen Ausschnitten mit abstrakten Figuren, so dass beides miteinander verschmilzt. Ja, ich weiß – eine furchtbare Beschreibung, bei der sich jedem Kunstsachverständigen der Magen umdreht. Ich bin nun einmal keiner und kategorisiere allein nach mag ich, mag ich nicht.

Wobei, den Stil kenne ich. Ich müsste mich sehr täuschen, wenn nicht … „Kann es sein – das Bild in Daniels Arbeitszimmer, ist das auch von dir?“ Joachim bejaht; sichtbar erfreut. „Das hat mich gleich begeistert. Ich habe mich nur geschämt, weil ich keine Ahnung hatte, von wem es ist.“ Joachim lacht. „Daraus musst du dir nichts machen – ich bin nicht sehr bekannt.“

Ich schaue mich um. „Ich bin sicher, deine Bilder sind beliebter, als du das denkst. Es gibt bestimmt viele Menschen, die dich für einen großen Maler halten. Und ab sofort hat deine Fangemeinde ein Mitglied mehr.“ Er wird anständig verlegen. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter. „Es ist wahr; und das solltest du wissen. Ich glaube, du bist viel zu bescheiden.“

Wir sind schon dabei, das Studio im Obergeschoss mit seinen Dachfenstern wieder zu verlassen, er streicht noch einmal liebevoll über seine aktuelle, noch unvollendete Arbeit, da gibt er sich einen Ruck. „Anne, bevor wir wieder bei den beiden anderen sind – ich wollte dir noch sagen, ich freue mich sehr. Für Daniel, und für dich. Du bist genauso, wie er dich beschrieben hat. Und ich habe sogar vor ihm gemerkt, wie sehr du ihn beeindruckt hast. Es ist schön zu sehen, dass ihr zueinander gefunden habt.“

Er zögert. „Er – Daniel hat es nicht leicht gehabt. Er hat sich für einen ganz anderen Weg entschieden als ich, und zwar anfangs vor allem wegen Silvia. Inzwischen ist das Kämpfen für ihn zur zweiten Natur geworden, und je mehr Erfolg er damit geschäftlich hatte, desto mehr haben die Kämpfe mit Silvia zugenommen. Obwohl sie doch eigentlich nur bekommen hat, was sie wollte und forderte. Ich würde es gerne sehen, wenn er endlich irgendwo einen Ruhepunkt in seinem Leben findet. Und ich glaube, das ist gerade geschehen.“

„Hast du das, einen Ruhepunkt?“ frage ich. Er deutet auf die Bilder, die überall stehen. „Ja; ja – meine Malerei.“ Es gibt mir einen Stich. Sicher wäre er glücklicher, wenn es Katrin wäre, nicht die leblosen Dinge, die unter seinen Fingern zum Leben erwachen.

Ich mag ihn, ich mag ihn sehr; nicht nur, weil er Daniels Bruder ist.

Daniel und Katrin haben sich anscheinend gestritten; Daniel steht allein am Wohnzimmerfenster und betrachtet den Garten, mit Gewitterwolken auf der Stirn, und sie ist nirgendwo zu sehen.

„Was ist los?“ fragt Joachim. Daniel dreht sich um. „Ich glaube, du solltest lieber zu deiner Frau gehen.“

Als wir allein sind, wiederhole ich Joachims Frage, doch Daniel schüttelt den Kopf. „Du magst die Bilder, nicht wahr?“ „Ja,“ antworte ich. „Ja, ich mag sie. Deinen Bruder und seine Bilder. Das eine bei dir im Arbeitszimmer, das ist ja auch von ihm. Kein Wunder, dass es mir gleich gefallen hat.“

„Es ist das einzige im ganzen Haus, was ich ausgesucht habe,“ bemerkt er.

Erinnerungen. Ja, die werden uns beide noch lange begleiten, vielleicht für immer, die Erinnerungen. Die großen und die kleinen.

Joachim ist schneller zurück als erwartet. „Katrin ist beleidigt, weil du dich nur für meine Bilder interessiert hast und nicht auch für ihre Arbeit,“ erklärt er unglücklich. „Anne hatte ja wohl kaum eine Chance, sich für Katrins Keramik zu interessieren,“ sagt Daniel böse, „so wie sie sich benommen hat.“

Ich kann es nicht bedauern, in seinem Atelier gewesen zu sein statt in dem Nebengebäude, in dem ihre Töpferausrüstung steht, wie ich gelernt habe. Trotzdem bin ich erschrocken. Meine Taktlosigkeit hat nicht gerade dazu beigetragen, die Stimmung zu lockern. Da ist jetzt aktives Handeln gefragt. „Ich werde versuchen, das wieder in Ordnung zu bringen,“ sage ich mutig. „Wo ist sie?“

Die beiden Brüder wechseln einen Blick. „Ich bringe dich hin,“ erklärt Joachim.

Und nun bekomme ich doch noch die Töpferwerkstatt zu Gesicht. Katrin arbeitet nicht; sie starrt Löcher in die Luft.

Verzweifelt suche ich nach einer Einleitung; eine Entschuldigung widerstrebt mir, aber ich sollte schon ein paar Schritte auf sie zugehen.

Und dann ist es auf einmal ganz einfach, denn ich entdecke die große Vitrine mit allen möglichen Dingen drin. Gebrauchsgegenstände wie Vasen, Becher, Teller, und auch seltsame Gebilde, die ganz merkwürdig anrühren. Ich fühle mich an Joachims Bilder erinnert, die Farben sind so ähnlich. Die beiden haben weit mehr miteinander gemeinsam, als man auf den ersten Blick denken sollte. „Oh,“ entfährt es mir, und mein bewunderndes Erstaunen ist sogar echt. „Meine Güte, das ist ja fantastisch!“

Warum auch immer, auf einmal gibt auch sie sich Mühe, begibt sich hinter mich und zeigt mir einiges. Offensichtlich mag sie gar nicht alle Arbeiten, die sie hier ausstellt. „Dieser Becher da,“ sie weist auf ein wunderschönes Teil in einem strahlenden Blau mit verschlungenen grünen Ranken darauf und überraschend roten Tupfen, die wohl Blüten darstellen, „ich weiß gar nicht, warum ich ihn nicht schon längst weggeworfen habe.“

„Ja, damit ist eine nicht besonders erfreuliche Geschichte verknüpft,“ mischt sich Joachim ein. „Es gab einmal jemanden, der Katrin – sehr wichtig war. Er hat ihr das Blaue vom Himmel herunter versprochen, wollte Ausstellungen organisieren, Aufträge beschaffen, sogar einen Kurs an der Schule hier auf die Beine stellen. Bis er sich dann ganz plötzlich zurückgezogen hat; ohne ein Wort, ohne eine Erklärung. Der Becher sollte ein Geschenk für seinen Geburtstag werden.“ Ich ahne weit mehr hinter diesen dürren Worten; und die sind schon traurig genug.

„Eigentlich hebe ich ihn nur als Symbol für eine Niederlage auf,“ sinniert Katrin.

„Das ist doch keine Niederlage,“ empöre ich mich. „Hast du einen Sponsor nötig? Mit den Fähigkeiten? Der wollte bestimmt ganz andere Sachen von dir als dich fördern. Und abgehauen ist er, weil es ihm zu heiß wurde. Man lässt sich nun einmal nicht ungestraft mit einer Künstlerin ein, wenn man ihr nicht gewachsen ist.“

„Wahrscheinlich hast du recht,“ bemerkt sie nachdenklich. „So habe ich das nie gesehen.“ Wozu Frauensolidarität doch alles gut ist!

Impulsiv berührt sie meine Schulter. „Magst du ihn haben, den Becher? Bei dir ist er gut aufgehoben.“

Die Geste macht mich hilflos.

„Aber das geht doch nicht,“ wehre ich ab. „Der ist doch viel zu wertvoll!“

„Ach was, wertvoll – nun zier dich nicht,“ schimpft sie. „Was brauche ich den Becher? Ich werde mich lieber über die Erkenntnis der Hintergründe seiner Feigheit freuen, die du mir verschafft hast!“ Sie öffnet die Glasscheibe an dem Metallknopf, und schon habe ich den Becher in der Hand.

Ich bedanke mich stotternd.

Joachim und sie fassen einander bei der Hand, schauen sich vielsagend an. Ja, in Bezug auf diesen flüchtigen Kunstmäzen scheint mir da noch einiges geschehen zu sein. Was mich aber gar nichts angeht.

In trauter Eintracht kehren wir drei zu Daniel zurück, der mich lächelnd in den Arm nimmt und mir vor den zweien einen Kuss gibt.

„Wir sollten langsam aufbrechen – wir haben schließlich noch etwas vor,“ meint er bedeutungsvoll.

„Ihr kommt wieder?“ drängt Joachim, und wie Daniel kann ich das nur aus vollem Herzen bejahen. Die Brüder umarmen sich zum Abschied, und diesmal kommt auch Katrin mit vors Haus.

Ich bin ganz wehmütig gestimmt, halte den erinnerungsbeladenen Becher fest in meiner Hand.

***

Ich bin sehr still auf der Fahrt zurück.

Mehr und mehr Fäden unserer Leben werden miteinander verwoben, und es geschieht so völlig selbstverständlich.

Und dann ist da noch etwas. In den letzten Wochen war ich weit mehr unangenehmen Szenen ausgesetzt als sonst in Monaten. Missstimmungen, Streitigkeiten, Taktlosigkeiten. Dennoch scheint plötzlich alles einfacher zu sein, weil Daniel da ist. Ich fühle mich stärker in unserer Liebe, und das hilft mir, weit gelassener auf Angriffe zu reagieren als sonst, zurückzustecken, wo es die Schwierigkeiten beheben oder zumindest mildern kann, auf die anderen zuzugehen.

Ich bin ein streitsüchtiges Biest; eine Begegnung mit Katrin noch vor kurzer Zeit hätte zu einer ausgewachsenen Auseinandersetzung geführt, mit ordentlich Fetzenfliegen. Noch immer bin ich die Alte, die kräftig austeilen kann, was sie empfängt. Noch immer bin ich nicht in der Lage, Beleidigungen stumm hinzunehmen. Aber ich kann darüber hinaussehen, auf einmal, und ich kann den Schritt darüber hinweg tun. Über meinen Schatten springen; weil ich Daniel dahinter weiß. Und davor, und mittendrin.

Schon bald hält nur noch eine Hand die blau-grün-rote Keramik, und die zweite liegt auf Daniels Oberschenkel, erhält ab und zu Besuch von seiner.

Die kleine SM-Boutique, mit deren Besitzerin Daniel heute Morgen den Termin ausgemacht hat, liegt so versteckt, allein hätte ich sie bestimmt nicht gefunden. Die Schaufenster sind schwarz verhangen – immerhin ein gewisser Hinweis -, und in kleinen, schmalen Silberbuchstaben steht in der linken Ecke des größten der drei Fenster „Secret Materials“. Etwas sehr offensichtlich, das Wortspiel; aber nun denn.

Aber nicht zu dem Eingang dort gehen wir, sondern ein Haus weiter. Daniel klingelt irgendwo, und eine atemlose Stimme übertönt das Knacken der Gegensprechanlage. „Ich komme sofort hinunter.“

Die Dame, die kurz darauf aus der Tür gestürmt kommt, verbirgt nicht, was sie verkauft. Ein Korsett in schwarz und pink schnürt pinkfarbenes Leder ein, und die Absätze ihrer langen schwarzen Stiefel könnten anderen glatt als Haushaltsleiter dienen.

Daniel kriegt ein Küsschen links und ein Küsschen rechts; ich nur eine weit zurückhaltendere Begrüßung.

Sie schließt die beiden Schlösser an der Glastür auf, die den Eingang zu Secret Materials bildet. Innen ist es – kaum verwunderlich angesichts der Fensterverhängung – dunkel, aber schnell knipst sie hier und dort einen Schalter an und sorgt für ausreichende Beleuchtung.

Der Laden ist nicht groß – aber ein Traum. Nicht dass ich die Pumps und Stiefel jemals selbst tragen würde, die dort zur Schau gestellt werden, oder die Kettenhemden, die Anzüge mit Löchern an allen möglichen Stellen, die Vollmasken, aber es ist ein betörender Anblick, vor allem in der Gesamtschau.

Meine Augen schweifen rasch ab in die Instrumentenecke. Eine Reitgerte brauche ich, hat Jakob mich aufgeklärt. Eine ganz neue, extra für mich, die nächsten Sonntag ebenso ihre Einweihung finden wird wie ich.

Daniel hält sich zurück, aber die Besitzerin, eine gewisse Lady Anais, quasselt mir die ganze Zeit lauter Dinge vor, die ich gar nicht hören will. Meine Güte, ich hatte so ein Teil auch schon einmal in der Hand; und inzwischen habe ich auch längst das andere Ende zu spüren bekommen. Sie muss mir nicht alles erklären.

Am besten gefällt mir eine Reitgerte, die garantiert Daniels heilloses Entsetzen auslösen wird; der Stiel ist mit abwechselnd schwarzen und türkisfarbenen Lederbändern umwickelt, und das tückische kleine Bändchen am Ende ist ein Zopf aus diesen beiden Farben. Nein, das kann ich ihm nicht antun; wirklich nicht, und so ist doch eine schlichte schwarze meine Auswahl. Sie zieht ordentlich; ich habe es ausprobiert, gegen meinen Unterarm.

Seltsam, eine Gerte für den Gebrauch an mir statt durch mich.

Daniel bevölkert bereits die Klamottenabkleidung. Wortlos hält er mir zwei Teile hin; einen Catsuit aus einem schwarzen, glänzenden Material ähnlich dem besserer Gymnastikanzüge, und eine Art breiter Gürtel, bestehend aus schwarzen Lederstücken vorne und hinten, durch Ketten miteinander verbunden. Nun, wenn mein Gebieter bereits gewählt hat, muss ich mich ja gar nicht mehr umsehen.

Die Lady zeigt mir den Weg zur Umkleidekabine. Immerhin verschwindet sie wieder und schließt den Vorhang. Daniel würde ich ja beim Umziehen dulden, aber garantiert nicht sie.

Es ist ein ordentliches Stück Arbeit, mich in den Catsuit hineinzuzwängen. Wer bloß auf die bescheuerte Idee gekommen ist, hauteng anliegende Overalls ohne Reißverschluss zu schneidern?

Aber ich gebe zu, nach einem verstohlenen Blick in den Spiegel, noch kann ich mir das leisten, so etwas zu tragen; wer weiß, wie das in zehn Jahren ein wird. Jetzt noch irgendwie die Ketten des Gürtels entwirren und den Verschluss enträtseln. Sieht klasse aus. Finde ich.

Trotzdem bin ich unsicher, als ich vortrete. Ob das wirklich das Richtige für eine Initialisierung ist? Wirkt ja schon recht leger.

Daniel verschlingt mich mit den Augen; von oben bis unten. „In Ordnung,“ nickt er. „Fehlen nur noch Schuhe, und dann ist das schon einmal geregelt. Und das für nächsten Sonntag?“ fragt er und hält mir etwas hin, das einfach nur aussieht wie ein wunderschönes, allerdings ziemlich vanillemäßiges Abendkleid in schwarz, mit engem Body aus Samt, weit ausgestelltem Rock aus einem satinähnlichen Material und tiefem Ausschnitt. Zum Glück ist es kein O-Kleid; also in so etwas kriegt mich nicht einmal Daniel hinein – oben ohne laufe ich im Zirkel nicht herum!

Allein schon das seidige Geräusch des weiten Rocks mit seinen mindestens zwei Unterröcken begeistert mich. Beinahe liebevoll ziehe ich es über, und es ist, als würde ich mich mit angenehm warmem Wasser übergießen, das exakt für mich bestimmt ist. Blöder Vergleich, weiß ich. Er stimmt dennoch.

Daniel, der einfach mit in die Kabine gekommen ist, hilft mir, den Seitenreißverschluss am Body zu schließen. Nicht ohne dass vorwitzige Finger untersuchen, was sich seitlich hinter der Öffnung befindet. Gut dass ich keinen BH trage. Für das Kleid hätte ich ihn ohnehin ausziehen müssen. Einen Slip habe ich heute allerdings ausnahmsweise einmal an; Verwandtenbesuche ohne sind doch irgendwie peinlich!

Für eine SM-Boutique haben die hier ganz schön un-SMige Klamotten herumliegen, ich muss schon sagen. Secret Materials – nun ja. Die Geheimnisse haben schon ganz andere entdeckt, und die haben mit SM überhaupt nichts zu tun.

Mit dem weiten Ausschnitt fühle ich mich dann doch etwas unbehaglich. Meine Oberweite ist nicht allzu üppig; deshalb finden sich ja auch kaum BHs bei meiner Unterwäsche. Hochzudrücken gibt es da also nichts; aber irgendwelche Stahlstäbchen, so wie es sich anfühlt, halten alles dennoch an seinem Platz.

„Dreh dich einmal,“ sagt Daniel, und diesem Befehl folge ich nur zu gerne. Der Rock bauscht sich auf mit einem Rauschen wie von Blättern im Wind. Das ist, bei aller Eleganz, ein astreines Wohlfühlkleid. Es macht Vergnügen, sich darin zu bewegen.

„Gekauft,“ erklärt Daniel und hält mich fest. „Jetzt noch Schuhe.“

Hilfe! Ob ich mich meine Füße jetzt doch in etwas stopfen muss, was eher ein Folterwerkzeug ist als eine Gehhilfe?

Noch in dem Kleid führt er mich an ein Schuhkarussell. So toll das Zeug auch alles aussieht, kann ich es doch nur mit gemischten Gefühlen betrachten.

Lady Anais nähert sich in typischer Vertretermanier. „Vielleicht diese hier?“ bemerkt sie und greift nach roten Stiefeln, die nun wirklich weder zu diesem Kleid, noch zum Catsuit passen. Daniel schüttelt den Kopf. „Nein – nichts in dieser Art. Schwarze Wildlederstiefel mit flachem Absatz für das erste, und für das Kleid schwarze Pumps mit Fußgelenkriemen. Aber nicht diese schrecklichen Absätze; nur ein paar Zentimeter, nicht mehr.“

Ich könnte ihm um den Hals fallen und tue das dann auch.

Wobei es mich schon interessieren würde, woher er soviel über Klamotten weiß. Oder jedenfalls über das, was zu mir passt und mir gefällt. Nun, manche Männer haben halt ganz unerwartete Qualitäten. Vielleicht sollten Sie mit Ihrem auch mal einkaufen gehen; wer weiß, womöglich wartet eine wunderschöne Überraschung auf Sie, wenn Sie ihn auswählen lassen.

Anais ist sichtlich unbegeistert, aber sie führt uns zu einem Regal ganz hinten im Laden. Ja, das ist schon eher etwas, in dem ich mir vorstellen könnte herumzulaufen. Hier hat ein freundlicher Mensch sämtliche Absätze gekappt. „Die haben wir vorrätig für die Fälle, in denen die Frauen sehr groß sind,“ erklärt sie mit verkniffenem Mund, „und es den Männern etwas ausmacht, von ihnen überragt werden. Ist ja gerade für eine Sub auch nicht unbedingt passend. Wobei ich sagen muss, Daniel – ich hätte dich für selbstbewusster gehalten. Was macht es denn, wenn deine neue Sklavin in Schuhen ein paar Zentimeter größer ist als du? Du hast doch genügend innere Größe, das auszugleichen. Er lacht. „Anais, das hat andere Gründe. Ich möchte, dass Anne in ihren Schuhen gehen kann und nicht nur stolpert.“

„Damit sie dir besser weglaufen kann?“ zieht Anais ihn auf. „Also mir geht es mehr ums Hinlaufen statt ums Weglaufen,“ korrigiere ich sie energisch.

Die Wildlederstiefel sind schnell gefunden. Sie haben nur einen Nachteil – die Schäfte sind so weich, dass sie ständig rutschen und man es kaum merkt, dass man Overknees vor sich hat. Super aussehen tun sie trotzdem.

Die Pumps werden dann sogar recht hoch, und ich bewege mich darin etwas staksig; aber sie sind wie speziell gemacht für das Kleid, und ich muss halt einfach ein wenig üben, darin zu laufen; sind ja noch ein paar Abende Zeit.

Es tut mir fast Leid, das schöne Kleid wieder auszuziehen. Mit einem kleinen Schauer denke ich daran, wann ich das nächste Mal hineinschlüpfen werde.

Anais ist schon eifrig am Verpacken, als ich in meinen alten Sachen aus der Kabine komme.

Die Reitgerte bezahle ich, aber beim Rest habe ich keine Chance.

Wie ein Kind die Weihnachtsgeschenke behalte ich die Tüten bei mir, trage sie selbst. Doch als ich sie in der Wohnung auspacken will, nimmt Daniel mir sie ab. „Das mache ich,“ beschließt er kategorisch. „Wenn du magst, kannst du in der Zeit etwas zu essen bestellen.“

Meinetwegen. Neugierig horche ich vom Flur aus auf das Öffnen der Schranktür, das Knistern, als Daniel die Neuerwerbungen wegräumt.

Der Pizzamensch erkennt mich sogar wieder. Ja, so fliegen die kleinen Sünden auf – ich koche wirklich nicht gerne, und es ist doch so ungeheuer praktisch, fertiges Essen ins Haus geliefert zu bekommen.

Nachdem Daniel noch beschäftigt ist, womit auch immer, decke ich schon einmal den Tisch. Hoffentlich braucht er noch eine Weile – dann kann ich wenigstens das Essen bezahlen, wenn er schon bei Secret Materials seine Kreditkarte gezückt hat. Dass die Männer nicht ohne das Plastikzeug auskommen! Wahrscheinlich sind sie einfach nur unfähig, mit dem Planen und Rechnen umzugehen, das es für das Barzahlen braucht.

Danach muss ich noch einmal aufs Klo. Natürlich wird genau in dieser Zeit die Pasta geliefert, und offensichtlich kann Daniel auch mit Bargeld umgehen.

Er hat schon alles ausgepackt und auf die Teller verteilt. Ich hoffe, die Stoffservietten fehlen ihm nicht. Neben meinem Platz liegt eine kleine Tüte. Das dezent-diskrete Schwarz der Erotikläden, ganz ohne jeden Aufdruck und eben darum schon auf den ersten Blick als das zu erkennen, was es ist – die Umhüllung für etwas, von dem niemand wissen soll.

Daniels Augen funkeln, als ich mich sofort darauf stürze. In der Tüte ist noch einmal Papier, weißes Seidenpapier. Trotz der Unförmigkeit beschleicht mich sofort ein Verdacht, was den Inhalt angeht. Tatsächlich schimmert es türkis und schwarz, als ich ungeduldig das Papier aufreiße. „Ich bin dir außerordentlich dankbar, dass du für den Zirkel eine etwas – nun, sagen wir unauffälligere Ausführung gewählt hast,“ neckt er mich. „Aber wenn wir unter uns sind, spricht eigentlich nichts dagegen, deinen Geschmack mit zu berücksichtigen.“

Ich falle ihm um den Hals; es ist so schön, dass er meine sehnsüchtigen Blicke überhaupt bemerkt hat, und so lieb, mir diesen Wunsch zu erfüllen, den ich gar nicht ausgesprochen habe.

Ja, und so kann ich nach dem Essen, das wir beide kaum anrühren, einmal ausprobieren, wie das ist, wenn man nicht schreien darf …


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