Liebeskugeln

5. September 2013

Sie zieht geräuschvoll die Luft ein. „Menschenskind! Hast du etwa die Seiten gewechselt?“

„In den meisten von uns stecken doch beide Neigungen,“ bemerke ich leichthin.

„Und deshalb bist du schnurstracks zur Sub geworden?“ empört sie sich. „Das kannst du mir nicht erzählen!“

„Ich bin noch keine Sub,“ wende ich ein. „Ich stehe erst am absoluten Beginn. Und ja, du hast recht – ich hätte das selbst nie gedacht. Aber – es ist … Es hängt einfach mit ihm selbst zusammen, mit seiner Person.“

Ihr Grinsen ist zu hören. „Dich hat es wohl gründlich erwischt!“ „Das kann man so sagen,“ bestätige ich. „O je, o mine, Anne! Da hast du dich aber auf was eingelassen! Ist – wie heißt er doch gleich, ist dieser Mondheim nicht verheiratet?“ „Das ist er.“ „Stört dich das gar nicht? Und wie macht ihr das? Was ist, wenn du seiner Frau wieder einmal auf den Weg läufst? Kratzt sie dann dir die Augen aus, oder du ihr?“

Es ist herzerfrischend, wie praktisch Evelyn denkt. Ich muss lachen. „Nichts von beidem, wenn es sich vermeiden lässt. Ich weiß doch auch noch nicht. Mensch, Evelyn, wir stehen erst am Anfang!“

„Ja,“ seufzt sie laut. „Und am Anfang ist alles wunderbar.“ „Eben,“ schließe ich. „Und alles Weitere morgen.“

Meine Güte, war das jetzt anstrengend!

Ich trage die privaten Anrufe in die Liste ein. Angeblich dient die nur zur Überprüfung, ob sich die Kosten dafür tatsächlich im Rahmen halten, dann ist alles okay, aber meinetwegen sollen sie mir die auch voll vom Gehalt abziehen. Immer noch billiger, als das Handy zu nehmen.

***

Irgendwann fällt mir ein, ich habe nach dem Frühstück nichts mehr gegessen. Ob ich mir schnell noch etwas hole? Ich werde noch eine ganze Weile hier sitzen. Nein, eigentlich habe ich gar keinen Hunger. Mir ist eher schlecht. Sind wahrscheinlich die blöden Tabletten. Ich beschließe, ab sofort keine mehr zu nehmen. Auch heute Abend nicht.

Überhaupt weiß ich gar nicht, was heute Abend wird. Sehe ich Mondheim, sehe ich ihn nicht? Ich habe nicht zu fragen gewagt. Selbst schuld. Wer nicht bereit ist, für einen glücklichen Abend ein wenig Beschämung zu riskieren, muss notfalls ohne auskommen.

Die neue Autorin – hoffentlich ist sie, anders als SirtaM, auch tatsächlich eine; eine gewisse Frauenquote braucht man einfach – macht Zicken. Sie will nichts, aber auch nicht ein Wort an ihren Geschichten geändert haben. Sie schreibt gut, wirklich gut – aber eben nicht perfekt. Das bildet sie sich allerdings ein. Es gibt nichts Schlimmeres als Leute, die ihr Handwerkszeug beherrschen und nun glauben, das berechtige sie, auf die ganze restliche Welt herabzublicken. Dabei ist es doch nichts als eine Selbstverständlichkeit, die überhaupt erst ihre Erwähnung rechtfertigt. Ist das wirklich so etwas Besonderes, dass eine Schriftstellerin schreiben kann? Sehen wir einmal von den ganzen Möchtegernies ab, die sich Autor nennen, ohne diese Voraussetzung vorweisen zu können.

Nur, wer so unrealistisch ist zu glauben, man lerne nicht auch beim Schreiben dazu, wer nicht weiß, dass man alles immer noch wenigstens ein kleines Bisschen besser machen kann, der hat nichts kapiert.

Nun denn, ich werde damit leben müssen. Warum soll ich mich weiter mit ihr herumstreiten? Sie ist eine der typischen Dommes, die außer an ihre Perfektion auch noch an ihre automatische Berechtigung glauben, alles und jeden im miesesten Kasernenhofton herumkommandieren zu können. Die steht astrein auf Demütigung und ist da nicht sehr wählerisch, was ihre Partner betrifft. Als ob Dominanz eine Rechtfertigung für simples rüdes Benehmen wäre. Auch wenn ich inzwischen auf dem Weg zur Sub bin – ihre werde ich dadurch noch lange nicht. Wenn sie noch einmal aufmuckt, schmeiße ich sie raus. Und ansonsten bleiben die kleinen Ungeschicktheiten eben einfach drin in ihren Texten.

Es klopft, und wie ein Wirbelwind rauscht Mondheim ins Zimmer. „Verdammter Mist – ich habe vollkommen das Essen mit Lahning und Donath vergessen. Kommst du mit?“

Moment mal, halt, stopp! Er wird mich doch wohl nicht zu einem Geschäftsessen mitnehmen wollen? Mich? Offenheit in Bezug auf eine extramaritale Beziehung hin oder her; aber man muss es den Leiten ja auch nicht wie Schnupftabak unter die Nase reiben. Sonst niest womöglich noch einer.

Mein Zögern macht ihn ungeduldig. „Mein Gott, Anne, stell dich nicht so an. Wir brauchen Donath; er hat gute Beziehungen zu einem Verlag. Es ist ein Wirtschaftsverlag, aber die Zusammenarbeit lässt sich ganz gut an. Man muss schließlich nehmen, was man kriegen kann. Ganz allein werden wir da nichts auf die Beine stellen können. Und mit Lahning muss ich auch Kontakt halten. Was ist los? Schämst du dich, mit mir gesehen zu werden?“

Der Gedanke amüsiert mich. Ebenso wie die Erkenntnis, dass Daniel gerade in Chefstimmung ist. „Im Gegenteil. Aber wie wäre es umgekehrt? Und sind Frauen überhaupt zugelassen?“ „Deinen Feminismus kannst du anderswo ausleben,“ erwidert Mondheim barsch. Oho, der Herr hat schlechte Laune. „Nein, natürlich kommen Donath und Lahning ohne Ehefrau. Aber die anderen Damen haben ja schließlich auch nichts mit den Geschäften zu tun, um die es geht. Also, was ist, begleitest du mich?“

Mannomaus, wer kann da nein sagen, wenn er in die geheimnisvolle Männerverschwörung einbezogen werden soll, die die Welt regiert? Außerdem, bevor ich auf ein irgendwie geartetes Zusammensein mit Mondheim verzichte, muss viel passieren.

„Irgendwelche Kleidervorschriften?“ frage ich. Er wirft mir einen bösen Blick zu. „Natürlich. Ich hole dich um sieben ab, und dann sehe ich mir deinen Kleiderschrank an.“ Plötzlich grinst er. „Außerdem habe ich noch eine ganz spezielle Vorschrift; du wirst sehen.“

Ich liebe ihn nicht nur, ich mag ihn auch; arg, arg gerne. Auch wenn er so ist wie jetzt. Wegen dieser kleinen überraschenden Sonnenstrahlen zwischendurch. Und weil er es nicht krumm nimmt, wenn man ihm ein passendes Echo zu seinem ruppigen Ton gibt. Meinen Feminismus woanders ausleben – my ass! Erstens bin ich kein Teil der weltumspannenden Frauenverschwörung, die mit ihrer ständigen Jammerei so viele Chancen vergibt, gegen die der Männer anzukommen. Und zweitens, wäre ich wirklich Feministin, dürfte er kaum hoffen, davon verschont zu bleiben.

Schon ist er wieder draußen. Offensichtlich in Hektik, mein Gebieter.

Ich sortiere in Gedanken schon einmal meine Kleidung. Nur einen richtigen Businessanzug habe ich. Ich wusste es ja; irgendwann im Lauf der nächsten Wochen werde ich eine Inventur vornehmen und einiges Neue anschaffen. Am liebsten unter Mondheims Führung; aber wann kriegt man denn schon einmal Männer dazu, mit einem Klamotten einzukaufen?

Komisch, irgendwo ist da so ein merkwürdiges Kribbeln. Glücklicherweise schwächt es meine Konzentration nicht; es kommt mir sogar so vor, als könne ich jetzt noch viel besser arbeiten als vor Mondheims Kurzbesuch.

Als er kurz vor sieben wieder ins Zimmer stürmt, ist es allerdings vorbei damit. Erst einmal holt er mich vom Schreibtischstuhl und begrüßt mich so, wie es sich gehört.

Wenn er will, dass wir pünktlich sind, sollte er sich jedoch ein wenig bremsen. Sonst werden wir noch aufgehalten, und die Wände seines Büros erleben eine Szene, wie sie gewiss noch keine gesehen haben.

Es gibt mir einen Stich. Wer sagt denn das? Woher weiß ich, ob er in diesem Raum nicht schon Dutzende von Frauen verführt hat?

Na und, weise ich mich selbst zurecht. Soll er doch jeden Tag fünf Dutzend gevögelt haben in der Vergangenheit. Solange er jetzt damit aufhört, berührt mich das nicht.

Ich sehe schon – irgendwann einmal muss ich ihn nach meinen Vorgängerinnen befragen; ich halte es sonst nicht aus. Vielleicht hätte ich doch die Hoffmann ausquetschen sollen; seine Erlaubnis dazu hatte ich ja. Aber soll ich mich vor ihm mit meiner kleinlichen Neugier blamieren? Schlimm genug, dass sie da ist; dann muss ich sie nicht auch noch ausbreiten.

Es wird dann doch nicht der strenge Businessanzug, sondern ein kleines Schwarzes. Mondheim stöbert in meinem Kleiderschrank, als sei es eine Schatztruhe. Das Ergebnis ist jedoch ersichtlich nicht ganz zu seiner Zufriedenheit. „Ich möchte mit dir einkaufen gehen,“ lässt er das erkennen.

Wie bitte? Wie kann der mein Vorurteil umstoßen? Er will mitgehen? Am Einkaufsmarathon teilnehmen?

Gerne doch! Nur zu gerne.

Ja, mokieren Sie sich ruhig. Ich lasse mir Klamotten kaufen, mich aushalten, wie das so typisch ist für eine Mätresse. Schließlich bin ich ja auch eine. Oder etwa nicht? Aber keine Angst; ich nehme mir schon vor, selbst zu bezahlen, wenn es nur irgendwie erschwinglich wird, was er für mich aussucht.

Ja, ich muss es zugeben, so ganz passt mir das nicht, wie bestimmend er sich heute aufführt. Aber Männer können nun einmal nicht rund um die Uhr die zärtlichen Liebhaber sein, die sie in der Nacht waren. Frauen übrigens auch nicht.

So, noch einen Slip, eine Strumpfhose, und die schwarzen Pumps. Unbequem, aber edel. Er stoppt mich auf dem Weg ins Bad. „Das brauchst du nicht,“ sagt er und greift sich Slip und Nylons. „Zieh einfach schon einmal das Kleid an, den Rest machen wir gleich.“

So, so. Seit wann bestimmt er, was ich anziehe?

Ganz einfach – seit ich ihm das Recht dazu gebe.

Und was wohl das seltsame Funkeln in seinen Augen zu bedeuten hat?

Ich schließe meine Arme mit Kleid und Schuhen darin um seine Taille. Nein, ich habe mich nicht getäuscht; er ist erregt. Er hat etwas vor, und freut sich darauf. Mir wird ganz anders. Wunderschön anders.

In Windeseile bin ich zurück.

Er hat etwas aus seiner Aktentasche geholt. Zwei Sachen. Einmal schwarze halterlose Strümpfe. In der richtigen Größe. „Es sind extralange,“ erzählt er stolz. „Etwas anderes dürfte bei deinen Beinen auch nicht ausreichen. Ich nehme an, Strumpfgürtel sind nicht so dein Fall?“ In der Tat nicht, nein. Ich gebe zu, manchmal sehe ich sie mir gerne an; bei anderen Frauen, auf den entsprechenden Fotos. Aber selbst tragen – nein. Dieses ganze Gefummel, die Unbequemlichkeit der Verschlüsse, die mich an meine Großmutter erinnern, und was überhaupt ist der Sinn eines Slips ohne Boden?

„Normalerweise nicht, nein,“ bestätige ich. „Aber wenn sie Ihnen gefallen, werde ich mich gerne umstellen.“ „Ich kann das Zeug nicht leiden,“ wehrt Mondheim ab. Sehr schön! Wieder eine Übereinstimmung – mir wird ganz warm bei dem Gedanken daran, wie viel wir schon an Gemeinsamkeiten entdeckt haben. „Du kannst die Strümpfe schon einmal anziehen. Wir haben leider nicht mehr viel Zeit, sonst würde ich dir gerne dabei zusehen; aber ich habe noch in der Küche zu tun.“ Schon verschwindet er mit einem kleinen Päckchen. Was er wohl vorhat? Bestimmt kein Abendessen kochen.

„Und damit du es weißt,“ ruft er herüber, „beim Ausziehen nachher wirst du meinem Voyeurismus nicht entgehen!“

Plötzliche Wärme engt meine Kehle ein. Wenn er mir beim Ausziehen zusehen will, bedeutet das, wir werden auch diese Nacht miteinander verbringen.

Obwohl ich mich gerade gewaschen habe, da ist er schon wieder, dieser typische Geruch weiblicher Erregung, so ähnlich dem der männlichen Befriedigung.

Woher ich weiß, dass der typisch ist? Na, hören Sie mal, wir haben doch alle unsere Bi-Erfahrungen, oder etwa nicht? Ich habe dabei herausgefunden, dass ich mehr mono bin. Vor allem im Hinblick auf das Spiel mit der Macht und dem Schmerz reizen Frauen mich nun gar nicht. Das heißt aber nicht, dass ich sie mir nicht gerne ansehe, und hin und wieder auch mehr. Nein, Sie müssen nicht entsetzt sein; meine letzte Erfahrung diesbezüglich liegt mehr als drei Jahre zurück, und momentan könnten mich keine zehn Schönheitsköniginnen zu etwas anderem bewegen als einem gelangweilten Gähnen.

Mondheim kommt zurück, mit einem Topf in der Hand, aus dem Dampf aufsteigt. Doch Abendessen? Wäre ja wohl etwas unlogisch; so schlecht ist das Essen im Restaurant sicher nicht. Wenn ich Lahning korrekt einschätze – an Donath kann ich mich nicht richtig erinnern – weiß der gute, wenn auch vielleicht seltsame Küche zu schätzen (man denke an Minifrikadellen mit Salat) und geht bestimmt nicht irgendwohin, wo es nur edel und teuer ist.

„Ich brauche dich liegend,“ verkündet Mondheim. Gehorsam begebe ich mich zum Bettsofa, aber ich stütze die Arme auf, denn ich will doch wissen, was er da hat.

Er schiebt mein Kleid hoch – gut, dass diese Rohseide nicht ganz so schnell zerknüllt ist, wie man denken sollte -, greift ins Wasser, flucht, weil er sich fast verbrannt hat, und zieht dann eine kleine Kette heraus. Metall. Mit zwei Kugeln; zu wenig und zu groß für eine Halsschmückung; außerdem trage ich dort ja schon etwas.

Nein, ich bin nicht das Naivchen vom Lande; ich weiß schon, was ich gerade zu sehen bekomme, und ein heißer Blitz jagt mir durch die zukünftige Behausung der beiden Liebeskugeln.

Er testet die Temperatur, nickt. Ich ersticke beinahe an meiner Zärtlichkeit für ihn, dass er weiß, wie unangenehm kaltes Metall an der Stelle wäre, wo jetzt seine Finger vorsichtig tasten und proben.

Nein, unterbrechen Sie mich nicht. Es ist mir schon klar – die Antwort liegt auf der Hand. Er weiß es, weil das ein Spiel ist, das er schon mit anderen Frauen gespielt hat.

Wenn ich dieser verdammten rückblickenden Eifersucht nicht bald Herr werde, wird sie Stück für Stück abbeißen von meinem Glück. Und wenn ich Pech habe, auch von der Beziehung selbst.

Ich bin feucht genug, die erste warme Kugel leicht aufzunehmen, und auch die zweite. Ein seltsamer Druck lastet auf der Umgebung des Metalls. Es ist keine starke Empfindung, aber eine, die es unmöglich ist, aus dem Bewusstsein zu verbannen.

Meine Muskeln schließen sich um das harte Rund, als seine Finger weiterforschen. Oh Gott. Oh Gott! Wie kann das nur sein, dass er mich so schnell in einem Zustand hat, in dem ich nichts anderes möchte, als dass er weitermacht? In dem ich das Ziel des Wegs schon herannahen spüren kann und es selbst bedauere, wie nah es immer ist.

Ich bin kein sinnlicher Mensch. Die heftigste Erregung hat mir schon immer meine Fantasie verschafft, nicht die Realität fremden Fleisches gegen meines. Wie arm ist doch normalerweise die Wirklichkeit gegen das, was ich aufbauen kann in meinen Gedanken.

Sie haben nur einen Nachteil, meine Gedanken. Sie sind nicht real; aber Mondheims Finger sind es.

Manchmal komme ich mir vor, als sei ich noch Jungfrau. Trotz der gewissen Ausschweifungen, die ich mehr oder minder begeistert hinter mich gebracht habe.

Er zieht ein wenig an dem kleinen Bändchen, das mich schmunzeln lässt, weil es mich an das an den Tampons erinnert. Widerwillig und reizvoll überrascht reagiert mein Inneres auf diesen Versuch, das Gleichgewicht zu stören. Wie soll ich das den ganzen Abend aushalten?

Mondheim hat seine Exkursionen beendet, legt seine Hände auf meine Hüften. „Du wirst sie den ganzen Abend tragen, bis ich selbst sie dir entferne.“

Er küsst meinen Bauch, sieht hoch zu mir, lächelt. “ Nimm sie nicht ganz so ernst, diese Anweisung. Das ist etwas, was ich schon immer einmal machen wollte. Aber ich habe keine Ahnung, ob du es überhaupt aushalten kannst. Wenn es nicht mehr geht, gibst du mir ein Zeichen, und wir verschwinden einfach zusammen auf dem Herrenklo.“

Ich triumphiere.

Also noch nie hat er das geteilt mir einer anderen Frau.


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