Er ist kein Sub …

29. August 2013

„Lass es mich einmal ganz knapp und brutal zusammenfassen. Ich liebe sie nicht. Nicht mehr; schon seit vielen Jahren nicht mehr. Da war einmal etwas zwischen uns, und es war stark genug, mich auf meinen Weg zu bringen, weil sie davon geträumt hat. Was sie nicht wusste, was ich nicht wusste war, dass jeder Schritt auf diesem Weg mich weiter von ihr entfernt hat. Aber wir sind eine Zweckgemeinschaft, und manchmal bindet das noch mehr als Gefühle. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich mich daraus lösen kann.“

„Für alles, was man tut, zahlt man einen Preis,“ sage ich langsam. „Aber den Preis sollst du nicht zahlen, denn er würde dich verändern.“

Ich zögere, stocke, beiße mir auf die Unterlippe, und die Worte taumeln dennoch heraus. „Werden wir uns dennoch sehen können?“

Da, nun ist sie heraus, meine furchtsame Frage nach der Zukunft, die ich schon so oft unterdrückt und niedergekämpft habe. Nach einer ersten, sehr zaghaften Zukunft.

„Das, meine liebe, liebe Anne, ist keine Frage der Entscheidung, sondern allein eine der Organisation. Und glaub mir, im Organisieren bin ich gut.“

Er schmunzelt über das ungläubige Staunen in meinem Gesicht, in dem die Muskeln jeglichen Zusammenhalt verloren zu haben scheinen. „Was dachtest du denn?“ sagt er leise, zärtlich. „Du glaubst doch nicht im Ernst, ich gebe dich wieder auf? Ich habe noch nichts bezahlen müssen dafür, mit dir zusammen zu sein. Aber selbst wenn ich das Schuldenkonto bereinigen muss, was da schon aufgelaufen ist, und noch mehr, ich werde es tun. Es gibt gewisse Grenzen, was ich tun kann. Ich weiß selbst noch nicht genau, wo sie liegen. Und wenn ich sie gefunden habe, werde ich wahrscheinlich nachschauen, was stärker ist – die Grenzen, oder mein Dickkopf. Hilfst du mir?“

Mir ist ganz weich zumute.

Er gibt mir soviel.

Er gibt mir alles, was er geben kann.

Es wird auf jeden Fall genug sein und weit mehr, als ich verdient habe. Ganz gleich, wo die Hindernisse beginnen werden, die irgendwann einmal, vielleicht schon bald, meine Seele wundscheuern werden, und auch seine.

***

Glück liegt mir in der Kehle wie ein Hindernis, das darunter alle Worte einsperrt, die ich dafür finden könnte.

Ich lasse mich gegen ihn sinken, nestele an den Knöpfen seines Hemdes. „Darf ich? Bitte?“ Er küsst mich auf die Stirn. „Meinst du, nachdem ich dir gerade meine Seele entblößt habe, schrecke ich davor zurück, auch meinen Körper nackt zu zeigen?“

Ja, ich habe große Teile seiner Seele nackt gesehen inzwischen. Er hat mir gezeigt, dass ich seiner sicher sein kann. Auch in der Kälte; auch dort, wo der Schmerz lauert, vor dem ich auf einmal gar nicht mehr soviel Angst habe wie vorher. Er hat bewiesen, ich kann mich auf ihn verlassen; als ob es einen Beweis gebraucht hätte.

Sie schütteln den Kopf, halten es für unerhört, wie er meine gerade verheilenden Wunden wieder aufgerissen hat? Wie ich das auch noch gutheißen kann?

Sie verstehen es nicht?

Sehen Sie, es ist doch ganz einfach. Ich kenne die Faszination des Schmerzes; wenn auch bislang nur von der austeilenden Seite her. Ich weiß, wie er mich in sich hineinsaugen kann und währenddessen zur Lust werden. Aber für mich selbst habe ich ihn gefürchtet; habe immer gedacht, ich verkrafte ihn nicht, er sagt mir nichts, es kann nie Lust daraus entstehen, wenn ich ihn ertragen muss. Der Dienstag Abend hat diese Angst zur heillosen Panik verschärft.

Daniel hat mir gezeigt, wie weit ich wirklich gehen kann, bevor der Schmerz droht, mich aufzufressen. Ich habe gesehen, wie er meiner nicht Herr geworden ist, mich nicht überwältigt hat. Selbst in einer Situation, in der ich mich in der Kälte glaubte, ungeschützt von seiner liebevollen Wärme. Ich wusste gar nicht, wie stark ich bin. Jetzt weiß ich es, und aus der zur Panik gesteigerten Angst ist eine ganz kleinwinzige geworden. Wenn ich so weit schon ohne seine Liebe gehen kann, wie weit wird eben die mich treiben können?

Er hat mir die Furcht genommen vor etwas, das eine ganz wesentliche Rolle in unserer Beziehung spielen wird.

Und es ist ja nicht nur der Schmerz.

Er hat meine Angst davor, verlassen zu werden genommen, damit gespielt, mich sie ausleben und überleben lassen und mir am Schluss bewiesen, wie überflüssig sie ist.

Natürlich habe ich auch längere Beziehungen hinter mir. Aber Maibaum, Deinar, das ist in gewisser Weise typisch für meine Erfahrungen. Da ist etwas, eine Attraktion, und kaum bewege ich mich darauf zu, ist nicht immer die Attraktion selbst weg, aber der Partner, mit dem zusammen aus dem grellen, prasselnden Leuchtfeuer ein wärmendes werden kann. Ich kenne soviel Oberflächlichkeit in der Art, wie man sich aufeinander einlässt. Selbst dann noch, wenn man schon zusammenwohnt. Die ganzen Versprechen, geboren aus dem Überschwang einzelner Augenblicke, das Beschwören von Tiefe und Dauer und Haltbarkeit, sie sind nichts als Worte, die in sich zusammenfallen, wenn die Augenblicke vorüber sind, die sie hervorgepresst haben.

Daniel hat vorhin, auf dem Dachboden, bewusst den Eindruck geschürt, kalt und brutal zu sein. Er hat mich den Dienstag Abend nochmals erleben und so endgültig in die Vergangenheit verweisen lassen. Jetzt verzeihe ich mir auch meine Schwäche, so wenig ausgehalten zu haben von Deinars echter Brutalität.

Ich habe viel über mich gelernt.

Frauen werden heute nicht weniger in Schablonen gepresst als früher. Die Powerfrau hat das Heimchen am Herd ersetzt und ist gerade dabei, schon längst wieder abgelöst zu werden durch etwas, das noch undefiniert ist.

Das Bild der Powerfrau erfordert, dass ich Schmerzen ertrage. Aber es verlangt auch, dass ich es nicht ertrage, wenn mir jemand Schmerzen zufügt. Ich soll stark sein. Ja, das bin ich.

Schon längst gibt es dann kleine Risse im Abziehbild. Auch Powerfrauen dürfen schwach sein. Selbstverständlich. Der Fortschritt macht auch vor Schablonen nicht Halt.

Nur eines dürfen Frauen nicht – bewusst schwach werden, wo sie stark sind.

Das genau ist es aber, was ich getan habe.

Liebe entschuldigt das vielleicht noch; aber erst wenn es auch ohne Liebe geschieht, ist es echt und kommt wirklich aus mir selbst heraus, nicht aus einem anderen Menschen oder bestimmten Umständen heraus.

Nein, bleiben Sie nicht an dem Klischee hängen, dass ich mich als Frau einem Mann unterwerfe. Was spielt das für eine Rolle, solange ich mich selbst wiederfinde, wenn ich mich in ihm verliere? Ich werde nicht reduziert dadurch, ich wachse.

Mit neuer Innigkeit küsse ich Daniels Brust, Bauch, seine Oberschenkel, von der Anzughose befreit, und wieder zurück nach oben. „Was für ein wundervoller Lehrmeister du bist,“ flüstere ich gegen seinen Hals. Vielleicht sind es nur die 20 Jahre, die er älter ist. Na und?

Er richtet sich auf, nimmt mir die Decke, die ohnehin halb heruntergefallen ist. Ich sehe das Blitzen in seinen Augen und habe seine Lust auch schon berührt, noch zurückgehalten von seinem Slip. „Mir ist irgendwie so nach einer Fortsetzung,“ sagt er. „Warte einen Moment.“

Ich bin nicht geduldig; aber ich kann warten.

Anscheinend hat er überall in seinem Reich kleine Schatzkisten; er kommt zurück mit einer Reitgerte, nur etwas kleiner als die, die oben zurückgeblieben ist und die ich irgendwann aus den Augenwinkeln heraus wahrgenommen habe.

Er zieht mich hoch, zu einem der Sessel, drückt mich zu Boden, bis ich knie, presst meinen Oberkörper auf die Sitzfläche, stellt sich darüber, so dass ich nicht ausweichen kann, drängt meine Schenkel auseinander.

Rasch kehrt der Schmerz zurück, doch diesmal fürchte ich ihn nicht. Das Brennen ist gewaltig, besonders auf der Innenseite der Beine. Es fühlt sich an, als ob die Haut sich abschält mit jedem Hieb. Höher, immer höher hinauf arbeitet das gemeine kleine Stück von einer Gerte sich vor in den Bereich, in dem es auch brennt, aber ganz anders, und dann doch genauso. Jeder Schlag löst ein Stöhnen von mir aus und ein Zucken.

Das Feuer breitet sich aus, ich weiß nicht mehr, welche Stelle getroffen wurde, denn alles brennt, und das Brennen steigt hoch, fühlt meinen Bauch, mischt sich mit der Wärme seiner Erregung, die ich bei manchen Bewegungen spüre, und immer ist da seine Hand, die auf mir lastet, dem Schmerz hinterher tastet, massiert, beruhigt, dann wieder aufreizt.

Fast bis zum Höhepunkt streichelt er mich einmal, zieht sich wieder zurück, was einen Protestschrei von mir auslöst.

Das Leder beißt sich in meine Lust, beißt sich in mich, schüttelt mich, bis es keine einzelnen Zuckungen mehr sind, sondern mein ganzer Körper zittert und jammert und bebt.

Immer schwerer wird mein Unterleib, immer heißer. Ein einziges Streichen seiner Hand löst schließlich aus, was sie mir vorhin versagt hat. Er lässt mir keine Zeit, mich hineinfallen zu lassen in die Entspannung. Mit einer schnellen Bewegung ist er hinter mir, dringt in mich ein. Sein Körper reibt meine gereizte Haut, drückt gegen mich, stoßweise, dass ich mich mit den Händen abstemmen muss.

Seine Hände graben sich ein in meiner Taille, es tut weh, aber mir kann es gar nicht fest genug sein. Er verlangsamt seine Bewegung, beugt sich über mich, besucht meine Schultern, mit den Lippen, mit den Zähnen. Es ist, als ob er mich in sich hineinziehen, mich ganz in sich aufnehmen wollte.

Ich bin ganz umschlossen von ihm, umgeben von ihm, und der Schmerz gehört dazu – innen, in der weichen Nässe, die sich tiefer und tiefer in mich bohrt, und an den Stellen meines Körpers, an denen er mich hält, an denen sein Mund mich berührt.

Nachher scheint er nicht weniger erschöpft als ich. Wir klammern uns aneinander, ertragen beide nicht einmal kurze Momente der Trennung. Eng aneinandergeschmiegt essen wir, trinken.

Zusammen gehen wir ins Bad, teilen nun auch das miteinander, die Intimität des Schamvollen, und fallen nebeneinander, übereinander ins Bett, schlüpfen unter die Decke, ohne den bisherigen Schutz der Nachtkleidung.

Mir ist, als lebe ich auf einmal in einer anderen Welt. Ich kann nicht, will nicht einschlafen, sondern diesen Zustand genießen. Immer wieder hole ich mich selbst zurück aus dem drohenden Vergessen, und jedes Mal ist er da und ebenfalls wach. Die Momente sind Haut gegen Haut, Haar auf Haar, und Erregung gegen Erregung. Die ganzen dummen und großartigen Worte flüstern wir, die sich so unaufhaltsam auf die Lippen drängen, wenn man liebt.

Wie schwach sie sind, diese Worte, gegen das Beben unserer Seelen, und wie gut es tut, sie trotzdem auszusprechen.

***

Am nächsten Morgen duschen wir gemeinsam. Er nimmt mir ab, was mir noch immer ein wenig schwer fällt, vor allem das Haare waschen. Danach wechselt er auf meine Bitte hin nochmals den Verband. Ich habe nicht vor, Teermann mit den Folgen unseres Ausflugs über die Grenzen zu konfrontieren. Wahrscheinlich wird er es nicht verstehen. So wie Sie es nicht verstehen. Oder etwa doch, mittlerweile?

Wo der Verband schon einmal ab ist, sehe ich mit Hilfe einiger Verrenkungen gleich selbst nach. So schlimm ist es gar nicht. Ein Kratzer, etwas breiter, wo er in der Mitte mit einem zweiten in Kreuzform zusammenläuft. Man sieht, es hat kurz noch einmal geblutet; die Linie ist an zwei Stellen unterbrochen, als sei dort ein Baustein heruntergepurzelt – aber auch das verschorft sich schon wieder.

Außerdem beschließe ich, wieder ins Büro zu gehen. Der eine freie Tag hat gut getan, und ich bin nicht sicher, ob ich gestern wirklich einsatzfähig gewesen wäre, aber heute ist Schluss mit der Bummelei.

Nachdem ich schon einmal so früh auf bin wie sonst nie, halte ich mich beim Frühstück zurück – die Hoffmann ist heute schon ein beinahe vertrauter Anblick – und spule nachher eines meiner kleinen Gymnastikprogramme ab, während Mondheim schon zu arbeiten beginnt.

Irgendwann sehe ich auf, und er steht im Türrahmen zum Schlafzimmer, beobachtet mich. Mit diesem ganz speziellen Glitzern in den Augen. Danach ist es natürlich erst einmal nichts mehr mit Sport oder Arbeit.

Um Viertel vor neun brechen wir auf, ich ganz stolz mit meinem Notebook in der Tasche. Ich habe nämlich beschlossen, das wird mein Arbeitsgerät auch im Büro. Ich weiß, Frauen sind verrückt – sie entwickeln sentimentale Bindungen zu toten technischen Dingen; Autos oder Computern. Stört das jemanden?

Zuerst sage ich Teermann ab. Er brummelt ein wenig, aber da kann ich ihm nicht helfen. Dann noch ein wenig Werbung für die Party. Der Pressetext scheint sich wie von allein zusammenzusetzen, und dann muss er noch möglichst überall verbreitet werden.

Ich wusste gar nicht, dass es so viele Stellen im Netz gibt, an denen man Termine eintragen kann. Beim Stammtisch verspricht man mir, ebenfalls fleißig die Werbetrommel zu rühren. Das szeneeigene Newsmagazin ist nicht besser geworden, seit ich mich dort vor Monaten einmal regelmäßig herumgetrieben habe. Neben Terminhinweisen sind noch immer die Meldungen an der Spitze in dem Stil, Sockenfetischist aus dem Haus geklagt, SM-Party durch randalierende Polizisten aufgelöst und so weiter. Nun ja – jede Kultur braucht ihre Bild-Zeitung; auch eine Subkultur.

Inzwischen ist soviel fremde Arbeit in das Portal integriert, ich brauche Stunden, um allein all das zu planen und zu beaufsichtigen. Meistens stelle ich fest, ich hätte die Dinge zehnmal schneller selbst geschrieben, als Dutzende von Rückfragen zu beantworten, immer wieder an die Abgabe zu erinnern und am Schluss noch Korrektur zu lesen. Andererseits, ich kann nicht alles machen, und es ist gut, wenn die Leute nicht nur meine Rappelschnauze zu lesen bekommen. Außerdem habe ich auf diese Weise bereits die ersten Mitstreiter für regelmäßige Beiträge gewonnen. Erstaunlich, wie viele völlig high davon werden, irgendwo ihren Namen zu lesen. Ihren Nickname selbstverständlich; was dachten Sie? Hurra, es lebe die Akzeptanz heimlicher Sünden. Sobald die einmal bei uns SM’lern selbst da ist, folgt die der anderen bestimmt auf dem Fuße.

Mein Telefon klingt regelmäßig, und mittendrin habe ich ganz Jasmund vergessen, der für mich die Mittagspause opfert, weil er nachmittags frei hat. Der ist wirklich aus anderem Holz geschnitzt als Siebert. Nicht nur dass er die ersten Fehler aus dem Kontaktmarkt behoben und eine weitere Version zum Test bereit hat, es stehen auch schon erste Ansätze für das andere Anzeigenteil. Und er scheint mehr und mehr Spaß an der Sache zu entwickeln.

Apropos Siebert – wer weiß, ob ich mit dem nicht noch einmal zu tun habe. Also erkundige ich mich schnell telefonisch nach seiner Gesundheit. Er klingt noch sehr leidend, aber doch geschmeichelt über meine Fürsorge. Fürsorge, pah!

Mit Hilfe von Hefner, der auch ohne meinen ganzen Komplimente wegen des Notebooks die Hilfsbereitschaft in Person ist, stelle ich den Kontaktmarkt passwortgeschützt ins Netz und schreibe massenhaft Leute an, die ich schlichtweg zur Sklavenarbeit presse. Es hat ja schließlich keinen Sinn, wenn nur ich alles teste.

Gegen drei bin ich fast versucht, doch noch eine von meinen Schmerztabletten zu nehmen.

Zwischendurch sind meine Gedanken immer wieder bei – aber das wissen Sie ja. Es ist, als seien wir gar nicht getrennt, denn das Wesentliche an uns geht nicht getrennter Wege.

Sorgen mache ich mir wegen Deinar; es mag ja an allem nichts dran sein, was er ausgegraben hat, aber Ärger wird es dennoch geben, wenn er die Klappe aufreißt. Ob er schon etwas unternommen hat?

Lange ist in einer Besprechung und ruft zurück. Er weiß nichts Neues, sagt er. Nur dass Deinar fest entschlossen scheint, auch die Behörden einzuschalten; das hat er gehört. Anlass genug, Mondheim per SMS aufs private Handy zu informieren.

Nachdem ich nun zwei Abende nicht in meiner Wohnung war, klappere ich schnell per Telefon alle potentiellen Anrufer während dieser Zeit ab, bevor noch irgendeiner einen Suchtrupp losschickt. Meine Mutter hatte sich tatsächlich schon Gedanken gemacht. Ich murmele etwas von viel Arbeit und hole mir die passenden Ratschläge dazu ab. Mich nicht überfordern, ausreichend schlafen, auf mich aufpassen. Wie Mütter nun einmal sind. Wenn sie wüsste …

Die anderen haben mich nicht vermisst. Bei Martina scheint sich erstaunlicherweise alles zum Guten zu wenden. Sie hat einen neuen Job in Aussicht, und kaum war es soweit, hat ihr Lover sich eines Besseren besonnen und will nun doch wieder. Sie schwebt im siebten Himmel. Ich freue mich für sie – und bin erleichtert, dass ihr Glück ihr die Neugier nimmt, nach Neuigkeiten von mir zu fragen. Katrin denkt an nichts anderes als an den Babysitter, den sie am Samstag Abend braucht. Den hoffe ich allerdings, mit Mondheim verbringen zu können, und so muss ich zu meinem großen Bedauern ablehnen.. Ich verspreche ihr jedoch, mich zu bemühen und vielleicht Ersatz zu finden. Am besten beauftrage ich gleich einen echten Babysitter und zahle das Honorar; dann ist sie zufrieden und ich habe meine Ruhe. Nicht dass Katrin und Jürgen das Geld nötig hätten. Außerdem, sie ist sehr wählerisch darin, wem sie ihre grässlichen Zwillinge anvertraut.

Wie kann man bloß Kinder in die Welt setzen?

Wie man das kann? Ich denke, ich glaube, ich fürchte, inzwischen weiß ich etwas mehr darüber, wie man auf diesen Trichter kommen kann. Alles eine Frage des möglichen Vaters, um einmal nebulös zu bleiben. Aber das ist dunkles und gefährliches Territorium; Eintritt derzeit noch verboten.

Evelyn ist etwas weniger leicht zufrieden zu stellen. „Sag mal, was ist eigentlich mit dir los? Du klingst irgendwie – so anders.“ Was soll ich sagen? Ja, ich schlafe mit meinem Chef, und er peitscht mich aus? Eigentlich ist es wirklich Zeit, ihr eine Andeutung zu machen. Sie weiß um meine Vorliebe für sinnlich-magische Spielchen. Allerdings ordnet sie mich auf der anderen Seite ein. Kein Wunder.

Soll ich ihr etwas sagen? Früher oder später erfährt sie es ohnehin. Nur, wie sag ich’s meinem Kinde?

Einen Moment lang schließe ich die Augen. Ob ich Daniels Mut habe, ganz direkt zu sein? Versuchen kann ich es.

„Ich bin verliebt, Evelyn,“ erkläre. „Na, das weiß ich doch!“ entgegnet sie. „Welchen Grund könnte es sonst haben, dass du geistig so total abwesend bist? Aber erzähl schon, wer ist er? Wie ist er? Wo hast du ihn kennen gelernt?“ Oje. Natürlich will sie am liebsten gleich alle Details hören; hätte ich mir ja denken können. „Zu Schwanzgröße und Eierumfang kann ich dir leider nichts sagen – ich hatte mein Maßband vergessen,“ bemerke ich bissig. Sie lacht. „Das heißt immerhin, du hättest bereits messen können, wenn du nicht so egoistisch gewesen wärst, nur an dich zu denken statt auch an deine Freundin, die darauf brennt, alles zu erfahren. Du, wir müssen uns unbedingt am Wochenende sehen, und dann berichtest du, ja?“ Ich zögere. „Aha,“ sagt sie. „Es ist ernst, wenn du schon überlegen musst, ob du noch Zeit für deine beste Freundin hast. In Ordnung – dann musst du eben jetzt raus mit der Sprache. Also, wer ist der Glückliche, den du sehr bald unglücklich machen wirst? Dieser Chefredakteur, der nun doch nicht dein Vorgesetzter geworden ist?“

„Deinar?“ antworte ich. „Nein, Deinar ist es nicht. Aber mit der Arbeit hat es schon etwas zu tun.“ Verflucht, warum ist das so schwer auszusprechen, was mit Daniel doch so ganz selbstverständlich zu leben ist?

Und wieso habe ich solche Angst, es auszusprechen würde es herabsetzen, beschmutzen, klein machen? Habe ich etwa etwas zu verbergen?

Ist ja schon gut – okay, okay, ich werde ehrlich sein. Mein Unbehagen hängt mit dem Getuschel zusammen, das ich heute im Haus wahrzunehmen glaubte, wann immer ich mich aus meinem Zimmer gewagt habe. Hefner war nichts anzumerken, obwohl neben Mondheims Assistentin er am ehesten die Wahrheit ahnen sollte. Was auch immer er insgeheim darüber denkt, eine Kollegin im Haus des gemeinsamen Chefs vorgefunden zu haben – vielleicht denkt er auch gar nichts, außer dass sie eben ein Notebook brauchte -, er hat den Klatsch bestimmt nicht in die Welt gesetzt. Falls ich nicht ohnehin Gespenster sehe. Aber man kennt das doch – die Gespräche, die abrupt enden, wenn man einen Raum betritt oder an einer Gruppe im Flur vorbeigeht, die starren, aufdringlichen Blicke, ein paar geflüsterte Worte. Nichts Konkretes, nichts, auf das man den Finger legen könnte. Und trotzdem wissen Sie ganz genau, es wird über Sie geredet.

Nun denn, daran werde ich mich gewöhnen müssen. Sollen sie halt alle denken, ich schleiche mich zur Förderung meiner Karriere bei Mondheim ins Bett. Ihn trifft das nicht; über mich wird man herfallen. Für ihn bin ich allenfalls eine Trophäe, die er stolz herzeigen kann. Von daher – was sollte es mich stören, dass geredet wird.

Wenn die alle ahnten, was wirklich los ist, der Klatsch würde explodieren.

„Evelyn, es ist ein bisschen schwer am Telefon zu erklären. Können wir uns nicht morgen in der Mittagspause treffen?“ Das Angebot fällt mir schwer; mit Evelyn zum Essen gehen bedeutet, frühestens zwei Stunden später wieder zurück zu sein am Arbeitsplatz. Die Zeit wird mir fehlen. Aber ich schulde es ihr, diesen Bericht. Sie scheint nicht ganz zufrieden zu sein. „Ich werde mal sehen, ob sich das machen lässt. Ich ruf dich morgen früh an. Aber den Namen kannst du mir doch schon mal verraten?“

„Daniel Mondheim,“ sage ich.

Eine Weile schweigt sie, versucht wahrscheinlich, die Information einzuordnen. Sie ist zwar meistens über die Entwicklungen in meinem Leben auf dem Laufenden, aber wie alle Menschen behält sie nur das, was sie wirklich interessiert. „Ist das nicht …“ Sie bricht ab, ist dann mit neuer Kraft zurück. „Anne, spinnst du? Bist du jetzt völlig hohlgedreht? Wie kannst du dich mit deinem Chef einlassen? Erst hast du Bedenken, weil dein letzter Beinahe-Lover dein Vorgesetzter war, und nun lässt du dich gleich mit der Pyramidenspitze selbst ein? Weißt du, was das heißt? Wenn dabei irgendetwas schief geht, bist du nicht nur todunglücklich, sondern gleich auch noch deinen Job los!“ Ich kann es vor mir sehen, wie ihre Augen sprühen und sie den Kopf schüttelt.

Soll ich ihr jetzt erklären, diese Gefahr besteht nicht? Was auch immer in einigen Monaten zwischen Daniel und mir sein wird – meinen Job werde ich behalten, solange ich ihn gut mache. Da ist trotz aller Verschmelzung von Privatem und Geschäftlichem eine strenge Trennung; in seinem Kopf ebenso wie in meinem. Selbst wenn wir auseinander gehen, berührt das die Arbeit nicht. Das fordert schon der Anstand. Ja, lachen Sie nur. Es gibt tatsächlich Leute, die sich an solche Regeln noch halten. Natürlich würde ich mich wahrscheinlich früher oder später nach einem anderen Job umsehen, aber ich würde nie alles einfach hinschmeißen und damit die Projekte gefährden. So wie er mich nicht auf die Straße setzen wird, und wenn er mich noch so gerne sofort los wäre. Irgendwie werden wir einen akzeptablen Weg finden, die Zusammenarbeit zu beenden, oder eben auch fortzusetzen. Was von beidem es sein wird, habe ich keine Ahnung. Ich mag an eine solche Situation auch gar nicht denken.

„Evelyn, lass uns morgen reden,“ bitte ich. Das sind alles keine Dinge für ein Telefonat; ich möchte ihr gegenübersitzen, wenn ich mich bemühe, etwas zu erklären, was ich selbst nicht richtig verstehe.

„Meinetwegen,“ brummt sie. „Seltsam – so wie du ihn geschildert hast, hätte ich wetten können, dass er garantiert kein Sub ist; so kann man sich täuschen. Oder habt ihr womöglich etwas ganz Normales laufen, völlig ohne SM?“

Schön, dass ich das Thema nicht ansprechen muss. „Nein, es hat schon mit SM zu tun. Sehr viel sogar. Aber er ist kein Sub.“


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