Ein schöner Erfolg

13. April 2013

„Du warst großartig,“ flüstert Deinar mir ins Ohr. Na ja, großartig ist für meinen kleinen Auftritt vielleicht ein zu großartiges Wort, aber ich denke, es ist alles ganz gut gelaufen. Jetzt im Rückblick bemerke ich auch, wie es mir nach den ersten Minuten gelungen ist, wenigstens einen Teil des Publikums tatsächlich zu fesseln und in die Geschichte hineinzuziehen. Das liegt nicht an mir, sondern am Autor – immerhin habe ich es jedoch geschafft, diese Wirkung zum Blühen zu bringen.

Jedenfalls, meine Laune schäumt auf einmal über. Und besonders interessant ist, wie aufmerksam und wohlwollend auf einmal alle auf mich reagieren.

Bedauerlich, dass ich jetzt kaum noch in der Lage bin, das für irgendwelche nutzbringenden Gespräche auszunutzen; meine flatternden Nerven schwingen noch kräftig nach, und der einzige, den ich augenblicklich in meiner Nähe ertrage, ist Deinar; der immerhin die Kunst zu schweigen versteht und mir unaufgefordert noch eine Weinschorle mischt. Dann reicht es aber definitiv mit Alkohol für diesen Abend, sonst bin ich zu nichts mehr fähig.

Mondheim bedankt sich so überschwänglich, einen Moment lang fürchte ich, er wird mir eine Bärenumarmung antun; dann hält er sich aber doch zurück. Es freut mich, ihm einen echten Gefallen getan zu haben – wo ich ihm längst etliche schulde für meine Anstellung und für die Intervention bei Maibaum.

Der segelt natürlich auch an mir vorbei und gratuliert mir zu meinem Auftritt. Es klingt sogar ganz nett, wie er das sagt. Auch wenn ich neben mir Deinar in Habachtstellung gehen spüre. Hoffentlich ist Maibaum noch eine Weile so freundlich – das macht es viel leichter, die ganzen Erlebnisse mit ihm abzuhaken und in die Abteilung erledigte Vergangenheit zu packen, als wenn er jetzt noch herumgiftet und sich als Oberhahn gebärdet. Da steht schon mein ureigener Trotz der nötigen Gelassenheit entgegen.

So, und demnächst muss ich mich mit der Frage befassen, was aus dem Rest des Abends werden soll. Zwei Paare haben sich bereits verabschiedet; auch wenn der Rest noch keine Anstalten macht, die Party zu verlassen. Wobei es in diesem Zusammenhang weniger um den Zeitpunkt des Verschwindens von hier geht, sondern vor allem um das, was danach kommt. Oder auch nicht kommt.

Ich bin sicher, ein paar eindeutige Signale von mir, und Deinar und ich, wir werden den Abend gemeinsam beschließen – nicht hier, sondern woanders. Zu dir oder zu mir ist wohl das passende Stichwort.

Aber will ich das? Und ebenso wichtig, will er das? Ich darf den augenblicklichen Überschwang nicht benutzen, unser gemeinsames Boot in ein Wildwasser zu steuern, das ich bei ruhigem Verstand ebenso vermeiden würde wie er. Es bringt wenig, eine Beziehung aus der zufälligen Hochstimmung eines Abends heraus anzufangen. Wenn da nicht mehr ist, wird der Abstecher unnötig bitter enden. Und wenn da mehr ist, ist es gar nicht nötig, das verführerische Prickeln dadurch zu vertiefen – es wird wiederkommen an einem anderen Tag, an dem es ruhiger, bewusster und genussvoller eingeleitet werden kann.

Mit anderen Worten: Nein, eigentlich möchte ich heute nicht mit Deinar im Bett landen. Ich möchte diesen letzten Schritt der Annäherung, der der erste ist in die Intimität, nicht überstürzt gehen, ihn nicht vielleicht voreilig herbeiführen, sondern unser Boot so langsam treiben lassen wie bisher – bis es quasi von selbst in schäumende Gewässer abdriftet. Bis der Zeitpunkt der richtige ist.

Ist das Feigheit? Klugheit? Ein Beweis dafür, dass zwischen uns noch nicht genügend Vertrauen da ist? Nein, das sicher nicht. Würde ich mich nicht jetzt schon voll auf Deinar verlassen, ich würde garantiert Sex als Bindungsmittel einsetzen. Und wenn ich mir die letzten Wochen so betrachte – bisher sind wir beide ganz gut damit gefahren, nichts zwingen zu wollen, sondern dem, was zwischen uns ist, Gelegenheit zu geben, sich zu entwickeln und zu entfalten.

Oje, es ist schon ziemlich blödsinnig, sich das alles zu überlegen und dabei nicht einmal zu wissen, ob er überhaupt Lust hätte, dem gemeinsamen Ausgehen das gemeinsame Einschlafen folgen zu lassen. Bin ich womöglich einfach nur ziemlich eingebildet?

Anscheinend nicht; ganz überraschend steuert Deinar uns beide aus dem Getümmel an den Rand und fragt: „Wärst du eigentlich sehr enttäuscht, wenn ich jetzt nicht versuche, dich in meine Wohnung zu locken? Es ist keineswegs so, dass ich nicht eine ungeheure Lust auf dich habe. Ganz im Gegenteil – ich bin die ganze Zeit schon froh, eine relativ weite Hose zu tragen. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, es – es wäre nicht richtig. Ich kann das nicht einmal genau erklären, außer mit der Heidenangst, die ich habe, morgen früh vielleicht aufzuwachen und zu denken, es war zu früh dafür, und wir haben etwas zerstört, was noch nicht genügend Zeit hatte zu wachsen.“

Mit anderen Worten: Ich bin doch nicht eingebildet. Und noch wichtiger, Deinar und ich, wir haben in den letzten Minuten über exakt Dasselbe nachgedacht. Wenn das kein Beweis für eine tragbare Grundlage ist! Noch besser ist natürlich, dass unser Ergebnis identisch ist.

Bin ich jetzt beleidigt, weil seine Hormone ihn nicht unwiderstehbar überwältigen und in meine Arme treiben? Weil meine Anziehung nicht groß genug ist, seinen Verstand zu überwinden?

Nun ja, ein bisschen, womöglich. Aber das macht nichts.

„Wenn es mir um deinen Schwanz allein ginge, wäre ich jetzt in der Tat schwer enttäuscht, ihn nicht kriegen zu können“ antworte ich. „Aber soweit ich das überblicken kann, geht es mir ganz wesentlich auch um das, was in deinem Kopf vorgeht. Wenn, dann will ich alles; bloß, das ist noch nicht soweit.“ „Ich liebe deine Direktheit,“ seufzt Deinar. „Es ist so wohltuend, wie du alles immer sofort auf den Punkt bringst.“

„Auf den G-Punkt?“ entgegne ich und fange an zu kichern. Meine Güte, anscheinend war doch ein bisschen viel Wein in der letzten Schorle.

„Worüber amüsiert ihr beide euch denn so königlich?“ lässt sich Lange vernehmen. „Ach, übrigens, Frau Senreis, ich danke Ihnen sehr für die wunderschöne Lesung. Diesen Abend werde ich so schnell nicht vergessen.“ Ich werde ganz verlegen wegen des Lobs; ob übertrieben oder nicht – es tut gut.

„Du wolltest wissen, worüber wir uns unterhalten?“ bemerkt Deinar. „Ich glaube, als letztes sagte Anne etwas über den G-Punkt.“ Lange zuckt bedauernd die Achseln. „Ja, also davon verstehe ich leider überhaupt nichts.“

Oh Gott, nein, nein, bitte nicht – ich darf jetzt nicht lachen! Um Himmelswillen, es ist unaufhaltsam und dringt mit einer solchen Heftigkeit durch, dass ich mich verschlucke und abwechselnd lache und huste. Mann, wie kann man so taktlos sein! Endlich dringt ein wenig Ernüchterung zu mir durch. „Bitte entschuldigen Sie, Herr Lange – ich benehme mich unmöglich!“

Nun lacht er. „Ach, das finde ich gar nicht. Mich begeistert es immer, wenn meine Bonmots ankommen – selten genug in diesem Kreis hier.“ Ich bin gerade dabei, einen weiteren Schluck zu nehmen und muss mühsam eine weitere Explosion unterdrücken – sonst sprüht das kostbare Zeug meine gesamte Umgebung ein. Ich fürchte, so langsam sollte mich jemand nach Hause bringen – ich kann sonst für nichts mehr garantieren.

Zu demselben Schluss scheint Deinar auch gerade gekommen zu sein. „Ich denke, ich werde Anne mal in Sicherheit bringen,“ erklärt er. „Nimmst du mich mit?“ bittet Lange. „Ich bin ohne Auto da. Mein Freund hat mich hingefahren, aber ich möchte es ihm nicht zumuten, sich jetzt noch einmal auf den Weg zu machen.“

Zu dritt machen wir uns auf die Suche nach Mondheim. Das gestaltet sich unerwartet schwierig, der Gastgeber ist nämlich nirgendwo zu sehen, nicht im Saal, nicht im Flur, auf dem wir einen Moment lang ein wenig verloren herumstehen. Ohne Abschied können wir wohl kaum verschwinden, aber momentan ist nicht einmal gnä‘ Frau zu sehen..

Irgendwann dringt unverkennbar seine charakteristische Stimme an mein Ohr. Die anderen beiden haben es auch gehört, und steuern auf den Raum mit der halb offenen Tür linkerhand zu. Wir stehen schon beinahe drinnen, als uns bewusst wird, wir sind gerade dabei, in einen Streit hereinzuplatzen. Nicht nur er ist anwesend, sie auch, und nun lässt sich ein Dritter hören, die ich nicht erkenne. „Das können Sie nicht machen. Das werde ich mir nicht gefallen lassen!“ Mondheim ist noch ruhig, aber hörbar genervt. „Das werden wir ja sehen! Wenn Sie sich nicht an die Vereinbarung halten, sind Sie draußen!“

Lange und ich zögern, doch Deinar geht weiter, als sei nichts geschehen, klopft an die Tür. Sofort herrscht drinnen Stille, dann erscheint Mondheim in der Öffnung. Seinem Gesichtsausdruck nach hat er getrunken, und sei es auch nur unterdrückte Wut, aber er fängt sich schnell. „Sie wollen schon gehen? Das können Sie mir doch nicht antun!“ Nun taucht auch sie auf, mit hektischen roten Flecken auf den Wangen, und kurz danach die dritte Person im Zimmer – Lahning. Seltsam – da habe ich ihm heute Abend so lange zugehört, und trotzdem war mir seine Stimme fremd. Spricht nicht unbedingt für ein eindrucksvolles Timbre.

Auch Lahning ist sichtlich gereizt und versucht es zu überspielen. „Ah, unsere schöne Vorleserin! Sie haben nicht zufälligerweise vor, einen Beruf daraus zu machen? Falls ja, können Sie mich gleich als Kunden vormerken. Das war ja eine glänzende Vorstellung!“

Was soll ich dazu jetzt sagen? Nachdem alle anderen schweigen, sollte ich schon ein paar Worte von mir geben. „Ich danke Ihnen für das Kompliment, Herr Lahning.“ So, und jetzt sollen Deinar oder Lange die Situation retten; ich habe meinen Teil getan. Schließlich bin ich hier der Neuling und habe keine Ahnung, worum es bei dem Streit ging, dessen Ende wir miterlebt haben, und wie man unauffällig zur Tagesordnung zurückkehren kann. Meine gute Laune von vorhin verkriecht sich mehr und mehr angesichts der Peinlichkeit der Situation.

„Wir würden sehr gerne noch bleiben,“ meldet sich Deinar zu Wort, „aber wir wollen Ihre großzügige Gastfreundschaft nicht überstrapazieren.“ Schleimer! Na ja, ist vielleicht genau der richtige Spruch im Moment.

„Gut, gut,“ erwidert Mondheim zerstreut. „Wir sehen uns ja ohnehin morgen. Sie haben es nicht vergessen?“ „Wie könnte ich! Nein, um drei im Büro, wie vereinbart.“

Aha – kleine Geheimnisse haben die Herrschaften also. Können wir jetzt endlich, oder müssen wir die unangenehme Szene endlos ausdehnen? Ich war ja schon froh, um eine allgemeine Verabschiedung mit Händeschütteln ringsherum herumgekommen zu sein, aber das hier ist weit schlimmer. Ich richte mich auf, um meine Unsicherheit zu überwinden. „Jedenfalls, ich danke Ihnen beiden für einen wunderschönen Abend.“ Damit strecke ich ihr die Hand hin. Sie starrt sie an, als sei es ein Stück vergammelter Fisch. Na warte, Tussi – das zahle ich dir heim!

Mondheim greift ein und meine Hand und schüttelt sie wie einen Cocktail-Shaker. „Die Freude ist ganz auf unserer Seite, und ich kann Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie so rasch und hilfreich eingesprungen sind!“

Seine Aktion rüttelt die anderen auf, und nun gibt es doch noch eine wenngleich beschränkte Runde Händeschütteln. Am Schluss will auch die Mondheim noch einmal mit mir – aber nun will ich nicht mehr. Bätsch!

Eine Minute später laufen wir den knirschenden Kies entlang; wobei mein Laufen eher ein Stolpern ist, das Deinar Anlass gibt, nach meinem Arm zu greifen. So ist das brav – immer schön Kavalier bleiben!

„Was war denn das?“ fragt Lange halblaut, als wir endlich auf der Straße stehen. Deinar zuckt die Achseln. „Ich bin mir nicht ganz sicher.“ Meinen Arm könnte er jetzt eigentlich loslassen; auf ebener Erde kann ich schon noch gehen. Andererseits, ist schon ganz angenehm so – es sei ihm großzügig erlaubt. Oh Mann, ich will nach Hause ins Bett! Die frische Luft macht mir meinen Alkoholpegel und meine Müdigkeit schlagartig bewusst.

„Ich fürchte, es geht um dieses neue Projekt, Irgendeine Beratungsfirma, die Mondheim mit Lahning zusammen hochziehen will,“ erklärt Deinar jetzt. „Natürlich darf Lahning offiziell kein Teilhaber sein, also läuft alles irgendwie verschachtelt über einen Zwischenmann, aber Lahning wollte helfen, der neuen Firma Aufträge zu verschaffen. Wenn das nicht geklappt hat und das der Grund für das Gespräch war, dann sieht es schlecht aus für Lahning. So wie ich Mondheim kenne, hat er damit gedroht, Lahnings Beteiligung offen zu legen, und damit wäre Lahning erledigt.“

Abrupt bleibe ich stehen und lasse Deinars Arm gehen. Das gibt es ja wohl nicht! Er redet über diese, diese – korrupten, illegalen Machenschaften ganz offen und selbstverständlich, als gebe er nur das Wetter von morgen bekannt. Wo bin ich hier eigentlich?

Die letzte Frage habe ich offensichtlich laut gestellt. Die beiden anderen sind ebenfalls stehen geblieben. „Was ist denn?“ brummt Deinar ungeduldig. „Jetzt tu doch nicht so, als wüsstest du nicht, wie das hinter den Kulissen abläuft! Schlägt dir jetzt dein Gewissen? Ich dachte, es sei einer deiner Gründe, warum du so bereitwillig bist, in diese Kreise zu kommen, damit du mehr erfährst? Wenn du noch nicht einmal diese Kleinigkeit ohne Empörung verkraften kannst, solltest du allerdings lieber wieder in deinem Elfenbeinturm verschwinden!“

Womit habe ich denn diesen plötzlichen Angriff verdient? Ich habe ihm doch gar nichts getan! Etwas brennt hinter meinen Augen. Wieso muss er jetzt so grob die Stimmung ganz zerstören? Und mit dem Arschloch wollte ich ins Bett steigen? Pah!

„Mensch, Martin – nun mach aber mal langsam!“ mahnt Lange. Eine Welle von Dankbarkeit ihm gegenüber durchströmt mich. Und mein Wunsch, mich ins Bett fallen zu lassen, wird noch stärker. Ich bin langsam nichts mehr gewachsen; schon gar nicht einer Auseinandersetzung mit Deinar. Ich verstehe nicht, was mit ihm los ist, ich verstehe gar nichts mehr – ich will nur noch schlafen.

„Was heißt hier langsam machen? Ich mache den Scheiß doch nicht! Ich finde es schlimm genug, das einen ganzen Abend mitmachen zu müssen, die ganze Heuchelei – und dann soll ich mir nachher noch die Naivität von jemandem anhören, der ebenso mitgemacht hat wie wir anderen alle auch?“

„Wer von uns beiden hat jetzt eigentlich zuviel getrunken?“ empöre ich mich. „Ich dachte, du hättest die ganze Zeit nur Wasser gehabt? Deinem Benehmen nach war da allerdings Schnaps drin oder sonst eine Droge! Kannst du mir mal erklären, was das soll? Ich habe schön artig mitgespielt, mich kaum danebenbenommen, ich habe dir und Mondheim sogar noch den Riesengefallen getan, es auf eine gewaltige Blamage ankommen zu lassen – und jetzt habe ich genug! Ich will nach Hause, und zwar so schnell wie möglich, und wenn du mich nicht fährst, werde ich bestimmt eine andere Transportmöglichkeit finden!“

Mist – da ist mein Temperament mit mir durchgegangen. So grob wollte ich gar nicht werden. Andererseits, es reicht mir, und heute Abend führe ich bestimmt keine Diskussion mehr. Weder über Mondheim, noch über meine Blauäugigkeit oder Deinars schlechtes Benehmen.

„Du musst dir kein anderes Transportmittel suchen,“ knurrt Deinar. „Das werde ich gerade noch so verkraften, dich dort wieder abzuliefern, wo ich dich aufgelesen habe.“

Eine Gemeinheit ist das, was er sagt. Einen Augenblick lang überlege ich, den Fehdehandschuh aufzunehmen, aber ich bin viel zu müde dazu. Das hat alles Zeit. Versäumen werde ich das ganz gewiss nicht, Deinar bei passender Gelegenheit die Antwort zu geben.

Die Rückfahrt verbringen wir alle drei schweigend. Kurz hoffe ich noch, dass Deinar zuerst Lange absetzen wird, damit wir eine Chance haben, die Missstimmung wieder glatt zu ziehen, aber spätestens mit den ersten Häusern meiner Straße verfliegt die Hoffnung.

Ich murmele ein kurzes „Tschüß!“, das von Deinar missmutig, von Lange herzlich zurückgegeben wird, dann schleppe ich mich die Treppen hoch, reiße mir die Klamotten vom Leib, schlüpfe in mein großes T-Shirt und falle ins Bett. Alles dreht sich ein wenig, und ich befürchte schon, nicht so schnell einschlafen zu können, doch wunderbarerweise wird ganz schnell alles ganz dunkel.

***

Am nächsten Morgen holt mich das dämliche Elektronikdudeln meines Telefons aus dem Bett. Es ist Deinar. Na, das trifft sich ja! Erst versaut er mir den Abend, und dann noch den Schönheitsschlaf mitsamt dem nächsten Morgen gleich obendrauf! Ausgesprochen kühl erwidere ich seinen Gruß. Dass ich nicht frage, was zum Teufel er denn will, ist alles.

„Ich – ich wollte mich entschuldigen,“ stottert er.

„Dazu hast du auch allen Grund, du verfluchter Mistkerl!“ tobe ich los. Mich zu wecken, ist grundsätzlich keine gute Gesprächsbasis. „Genau das hat mir Lange auch erklärt,“ gibt Deinar zerknirscht zu. „Ich weiß selbst nicht, was mit mir los war. Ich weiß nur, ich habe meine schlechte Laune völlig ungerechtfertigt an dir ausgelassen, und das tut mir Leid.“

Ah, das geht runter wie Öl. Ja, ein guter Anfang, um die Dinge wieder geradezubiegen. Aber es reicht noch nicht. „Und du glaubst, damit ist alles wieder in Butter?“

Ein klein wenig Rebellion schwingt mit, als er sagt: „Was erwartest du? Dass ich dich demütig um eine Strafe anflehe?“ „Das wäre vielleicht gar keine schlechte Idee,“ bestätige ich. Ein tiefer Atemzug zeigt mir, dass er mit sich ringt. „In Ordnung. Anne, ich bitte dich in aller Form um Entschuldigung, und ich bitte dich weiter, eine für mein Fehlverhalten angemessene Bestrafung zu ersinnen und zu verhängen.“

Mutig, mutig, der Kleine. Fehlt natürlich noch die korrekte Anrede, aber wenn ich jetzt auch noch verlange, dass er Herrin zu mir sagt und mich siezt, dann flippt er aus und ich vergebe den gewonnen Vorteil. Hoffentlich fällt mir im Laufe des Tages eine gute Strafe ein. So früh am Morgen, vor dem ersten Tee mit Sahne und Zucker (wer schreit hier igitt? Schon probiert? Sollten Sie mal tun!) ist meine Denkfähigkeit noch ein wenig eingeschränkt.

Eine erste Anweisung fiele mir schon ein; mir eben jenen Tee besorgen, ein Bad einlassen und die Wohnung aufräumen, während ich es genieße. Ja, prima – wenn uns das etwas nutzen würde, was potentielle Sklaven für uns tun wollen, haben sie garantiert keine Lust dazu. Außerdem gedenke ich nicht, zwei Stunden auf meinen Tee zu warten, und vorher hat Deinar seinen Arsch bestimmt nicht von dort nach hier gehievt.

Halt – da fällt mir etwas ein. „Eine Strafe ist das noch nicht, aber du könntest mir endlich ein paar ältere Ausgaben vom Anzeigenblatt vorbeibringen.“ Wenn er erst einmal in der Wohnung ist, wird alles weitere sich hoffentlich weisen. „In meiner Gegend wird das Teil ja nicht ausgeliefert, und woanders kriege ich es nicht.“

„Danke für den Hinweis – ich kümmere mich gleich morgen darum, dass ab sofort auch in deiner Straße verteilt wird. Ansonsten würde ich nur zu gerne bei dir vorbeikommen – aber du weißt doch, um drei muss ich bei Mondheim sein, und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie lange die Besprechung dort dauert. Vielleicht morgen Abend?“

Na super – kaum ist mir etwas eingefallen, was er für mich tun kann, schon kneift er. Und im übrigen, bis morgen früh wird die Besprechung ja wohl nicht dauern; warum kann er dann nicht einfach abends noch vorbeikommen? Heute Abend, meine ich – nicht morgen.

Wie viel Uhr ist es überhaupt? Neugierig laufe ich aus dem Flur zurück ins Schlafzimmer, um meinen Wecker auf dem Nachttisch begutachten zu können, der demnächst wieder traut und schrill meine Tage einläuten wird. Um Gotteswillen – halb zwölf schon! Wie konnte ich nur so lange pennen? Dann war es ja nicht einmal sonderlich unhöflich von Deinar, das Telefon zu bemühen. Wenigstens habe ich keinen Kater – na, jedenfalls keinen sehr umfangreichen. Hm, jetzt ein richtiges Frühstück, mit Tee, frischen Brötchen, Eiern, Honig, Käse – und das Ganze ans Bett serviert. Genau – das wünsche ich mir. „Das wäre jetzt etwas,“ sage ich laut. „Was?“ fragt Deinar. „Na, ein ausgewachsenes Frühstück ans Bett. Wolltest du nicht eine Strafe haben? Dann kümmere dich darum.“ Und schon habe ich aufgelegt; er soll ja schließlich keine Chance haben zu widersprechen.

Was für eine blöde Idee; aber nachdem er mich erst gestern Abend von der Seite angemacht hat und sich heute dann auch noch um einen Besuch bei mir herumdrückt, sehe ich keinerlei Veranlassung, meine befehlshaberische Patzigkeit herunterzuschlucken, wenn sie mich überkommt. Was ist denn das auch für eine Entschuldigung, die dir angeblich die Welt zu Füßen legen will und dann nicht einmal ein paar Brötchen herbeischaffen kann!

Nein, ich stelle fest, ich bin noch immer oder vielmehr wieder sauer auf Deinar. Warum konnte er es nicht einfach dabei belassen zu sagen, es tut ihm Leid? Zugegeben – das andere, das mit der Strafe, das habe ich provoziert. Aber er hätte ja schließlich nicht darauf eingehen müssen, nicht wahr? Erst mitmachen und dann auf halbem Weg aussteigen, wenn es um die Realisierung geht, das ist einfach nicht fair. So, und nun soll er sehen, wie er damit klarkommt. Ich setze jetzt erst einmal Tee auf und verschwinde dann unter der Dusche.

Kaum stürze ich mich frisch und in meinem Freizeitkaftan, der so wunderbar bequem ist und notfalls trotzdem dazu taugt, überraschenden Besuch zu empfangen, auf den Tee, klingelt es an der Tür. Als ob ich so etwas nicht geahnt hätte …


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