Der Herr SM Doktor

10. Mai 2013

„Vielleicht weil es mehr Spaß macht, wenn ein wenig Reibung auftritt?“ bemerkt Jakob ganz überraschend; hätte ich ihm gar nicht zugetraut, eine solche lebendige Einsicht, dem trockenen Finanzmann. Aber was haben die eigentlich alle in meinem Privatleben zu suchen?

„Ich glaube, wer Mondheim als Chef hat, der braucht privat eher Ruhe als Reibung,“ entgegne ich, und muss umgehend Mondheims strengem Blick standhalten, bis er endlich doch lächelt. „Ich fürchte, Sie sind einfach ein bisschen zu selbständig und eigensinnig für Deinar,“ sagt er und unterbricht sich dann selbst, noch bevor ich mir weitere Einmischungen verbitten kann, „aber zurück zum Thema.“

„Eigentlich wäre doch alles besprochen,“ resümiert Jakob und steht auf.

Wenige Minuten später bin ich allein mit meiner neuen Aufgabe und stelle fest, dass es mir völlig schleierhaft ist, wie man solche Herausforderungen gut finden kann.

Was gäbe ich jetzt darum, irgendwo in einem langweiligen alten Job zu sitzen, der mir langweilige alte Dinge abverlangt, alle schon hundertmal durchgekaut, erprobt und abgesegnet.

Oder doch nicht?

Siebert taucht schneller auf als gedacht, und er ist einer der typischen Programmierer, die die Schuld für irgendwelche Schwierigkeiten immer bei den anderen suchen und alle durch die Bank für zu blöde halten, auch nur eine Tastatur korrekt zu bedienen. Besonders wenn die Betreffenden sich durch zwei rundliche Auswüchse in Brusthöhe auszeichnen. Wahrscheinlich glaubt er, dass bei Frauen der Verstand eben dort hineinrutscht, sobald sie die Dinger über irgendetwas Technisches hängen; oder dass die davon ausgehende Strahlung alles durcheinander bringt. Was für ihn persönlich ganz offensichtlich auch gilt.

Nicht dass ich vorhabe, ihn über seine Hormonschübe zu lenken – Mondheim hat gesagt, hier bin ich der Chef, und damit wird er leben müssen. Auch wenn ich nicht vorhabe, das so schnell herauszukehren, werde ich durchaus ein Auge darauf haben, dass er tut, was ich sage.

Durch solche Fragen wie „ob ich denn schon einmal mit einem CMS gearbeitet habe“ kann er mich auch nicht beeindrucken. Erstens weiß ich, was diese Dreibuchstabenkombination bedeutet – Content Management System – , und zweitens, natürlich habe ich das beim Magazin; zwar war ich an sich nicht zuständig für deren Internetauftritt, aber irgendwie musste insofern doch jeder mal ran. Zugegeben, ich bin nicht gerade ein Crack darin, aber auch kein ABC-Schütze. Und die Software, die man hier für die Inhaltsverwaltung von Internetseiten hat, werde ich rasch genug in den Griff kriegen. Per try and error und notfalls per Handbuch – aber garantiert nicht unter seiner Führung.

Das erste Gespräch mit ihm dient eigentlich nur dem gegenseitigen Beäugen; zu besprechen ist noch nichts. So bin ich nach einer Viertelstunde wieder allein. Ich werde ihn zu finden wissen, wenn ich ihn brauchen.

Das Programm ist gar nicht kompliziert; ein paar Versuche, und schon habe ich das Wesentliche verstanden. Ich liebe intuitiv erfassbare Software. Eine neue Seite einfügen, Seiten verschieben und wieder löschen, das funktioniert wie beim normalen Windows Explorer, die Verlinkung macht das Programm selbständig. Und eine Seite selbst baue ich in einem stinknormalen HTML-Editor auf. Das kann ich, das habe ich schon oft gemacht.

So, die Grundlagen sind gelegt, ich kann losarbeiten. Erst einmal brauche ich einen Namen für das Teil. Wie kriegt man einen Namen? Man zaubert ihn herbei. Simsalabim sozusagen. Und schon hat man etwas, was auch die beiden entscheidenden Buchstaben enthält; sogar gleich zweimal. Natürlich ist die Domain längst vergeben, und mit solchen Konstruktionsungeheuern wie simsalabim-online oder so will ich mich gar nicht erst herumschlagen. Auch SMsalabim ist schon weg – aber nicht mit Bindestrich. Also SM-salabim. Ja, das wird es werden. Schnell die Anfrage bei Mondheim, ob er das genehmigt. Innerhalb von wenigen Minuten ist die Antwort da – nur ein Wort, „okay“.

Jetzt gleich ein Mail an Siebert schreiben, er soll die Domain sichern. Die Details weiß er besser als ich, und notfalls soll er Mondheim fragen.

Ja, von wegen. Fünf Minuten später steht Siebert auf der Matte und fragt mich nach den Anforderungen an das Paket aus, das er beim Provider bestellen soll. Mit fast sadistischer Arroganz schnurrt er die diversen Leistungen herunter, wohl wissend, dass ich sie nicht einmal richtig verstehen, geschweige denn behalten kann.

Datenbank – ja, das brauchen wir sicher, sonst können wir ja unsere Kontaktanzeigen und den Jobmarkt nicht machen. Upload unbeschränkt will ich auch haben, damit ich mir keine Sorgen machen muss, ob am Monatsende noch ein Update erlaubt ist. Und was den Download betrifft – ja, das kommt darauf an. Wird die Plattform ein Erfolg, kann der Traffic gigantisch sein. Wird es ein Reinfall, wird das Teil ohnehin bald wieder dicht gemacht.

„Nehmen Sie das größte Paket,“ entscheide ich kurzentschlossen. Damit kann uns gar nichts passieren. Die paar Euro mehr bringen Mondheim bestimmt nicht um, und es ist ja nur für ein halbes Jahr. Es sei denn, es läuft alles perfekt, und dann ist das Geld gut investiert. „Das ist besser, als wenn wir laufend upgraden müssen, und wir können viel freier arbeiten.“ Dass ich meine Verwirrung so schnell überwunden habe, scheint Siebert nicht zu gefallen – aber ich bin nicht hier, um seine Seele zu massieren; schon gar nicht auf meine Kosten.

So, das wäre erledigt. Damit ist ein Riesenbrocken schon kleingeschlagen, von dem ich dachte, er werde mehr Probleme machen.

Die Navigationspunkte der ersten Ausgabe habe ich schon im Grobkonzept drin, das bereits abgesegnet ist – nun geht es also an die ersten Artikel. Zunächst einmal ein paar nette Sätze, warum dieses neue Portal, was es will, was es soll, und überhaupt. Eine Begrüßung also. Kurz und knapp, nur ein paar Sätze – mehr lesen die Leute auf der ersten Seite ohnehin nicht.

Das wird mehr Arbeit als die langen Artikel zur Sache, die ich plane, aber auch das ist bis zum Mittag erledigt und geht per Mail an Mondheim, mit einem Report über den Umfang der neuen Domain. Er will regelmäßig über alles informiert werden, hat er gesagt. Kein Problem. O weh – hätte ich ihn vorher fragen müssen, ob ich wirklich das teuerste Paket nehmen darf? Scheiße; ein erster Schnitzer. Das hilft alles nichts; den muss ich beichten und um sofortigen Rückruf bitten, falls ich da etwas wieder rückgängig machen muss.

Die Mittagspause fürchte ich ein wenig. Hier geht man doch bestimmt, wie beim Magazin, auch in Gruppen zum Essen. Nur ich werde allein sein und nicht einmal wissen, wo ich hier am besten was kriege. Na, das Klo habe ich schnell gefunden, da wird mir die Restaurantsuche ebenfalls gelingen. Und es ist dann sogar recht einfach. Kaum komme ich um halb eins aus meinem Raum, fängt mich die Empfangsdame ein und schleppt mich mit ein paar anderen Mitarbeitern mit zu einem Chinesen drei Straßen weiter. Der Mittagstisch hier ist ausgezeichnet und billig, die ersten Leute kennen lernen kann ich so auch – also alles in Butter oder vielmehr in Reisöl.

Während des Nachmittags entstehen die ersten Artikel, Rezensionen von Büchern, die ich kenne, Technikhinweise. Es ist doch gut, wenn man über ein Thema schreiben kann, bei dem man sich auskennt. Und sei es auch im Augenblick vorwiegend theoretisch. Etwas zur Partnersuche, und einen kleinen, ganz persönlichen Erlebnisbericht beginne ich auch. Das scheint die meisten Leute zu interessieren, rein persönliche Erlebnisse. Weniger in sexueller Hinsicht, sondern mehr auf die inneren Gedanken und Gefühle bezogen und die praktischen Schwierigkeiten. Erstaunlich, aber wahr.

Zwischendurch mache ich eine Liste von den Artikeln, die mir noch einfallen. Außer den ganz normalen, die jede SM-Seite braucht, über Auspeitschen, Klammern, Bondage, Wachs, Analspiele, Erste Hilfe, Strom und so weiter – die verstehen sich von selbst. Etwas über den Unsinn der meisten Antworten auf Kontaktanzeigen, ein wenig Satire hier und dort, mehr Rezensionen, Bücher, Filme, Musik, eine Serie über Jugendschutz. Im Zirkel ist doch bestimmt ein Anwalt, den ich dafür gebrauchen kann.

Geschichten. Die sind mein größtes Problem. Was man davon im Netz findet, ist durchweg nicht besser als der Mist, den ich fabriziert habe, als es noch um den Fortsetzungsroman ging. Vielleicht beschränke ich mich tatsächlich erst einmal auf eine einzelne Fortsetzungsgeschichte. Die Leser an das Portal binden, sie regelmäßig wieder zurückholen mit neuen Kapiteln. Notfalls muss ich die selbst schreiben, wenn wir keine vernünftigen Autoren finden. Der übliche Scheiß über die lustvollen Verlockungen des Aufenthalts im düsteren Kerker bei Wasser und Brot nach einer gewaltsamen Entführung, die standardmäßigen technisierten Beschreibungen völlig irrealer Akte und das pubertäre Hormonschmalz ohne Hirn kommen mir jedenfalls nicht ins Haus.

Bilder muss ich noch beschaffen. Etliche Namen und Internetseiten von Künstlern, deren Werke ich schon immer toll gefunden habe, sind bereits gesammelt. Die werde ich einfach der Reihe nach anschreiben und darum bitten, uns ein paar Galerien zur Verfügung zu stellen; kostenlose Ausstellungen gegen kostenlose Werbung. Ich glaube nicht, dass Mondheim Geld ausgeben will dafür. Vielleicht später. Erst einmal müsste es auch so gehen.

Brauchen wir eigentlich einen Shop? Nein. Wozu das hundertste Sammelsurium der ewig selblichen Artikel von Großhändlern aufmachen? Sollte ich im Laufe der Zeit wirklich gute, individuelle Dinge entdecken – denjenigen, der in seiner Freizeit fantastische Handfesseln aus Leder herstellt, wunderschön geschmückte Halsbänder oder so etwas, kann ich mir das immer noch überlegen. Und wenn überhaupt, dann verkaufen wir nichts für die Masse, denn der Markt ist schon lange abgegrast, sondern nur exklusive Dinge. Etwas teurer, mit weit weniger potentiellen Käufern, dafür aber auch mit weit weniger Aufstand und einer höheren Gewinnspanne. Kunst beispielsweise, handsignierte Bücher in Kleinauflage, Poster, Bildbände. Schweineteuer alles. Das läuft bestimmt erst einmal nicht – andererseits könnte ich mir vorstellen, dass die aus dem Zirkel und ihre Bekannten sich darum prügeln, wenn man es nur edel und individuell genug macht. Na, mal sehen – das ist noch alles Zukunftsmusik.

Dabei fällt mir ein, ich sollte Siebert ein wenig beschäftigen. Gleich morgen gehe ich an die ersten Überlegungen zum Kontaktmarkt, dann hat er etwas zu tun.

Angenehm müde gearbeitete und recht zufrieden verlasse ich nach meinem ersten Arbeitstag das Büro um halb sechs.

***

Am nächsten Tag wird es noch später. Ich habe ein paar Bildchen gemalt und versucht, ein Design für das Portal und den Kontaktmarkt zu erspüren. Das ist alles noch nichts Rechtes, aber es wird. Ein technisches Konzept für die Anzeigen ist am Entstehen, ein paar weitere Artikel sind fertig. Die ersten Navigationspunkte sind umgeworfen und neu entstanden. Was für ein Glück, dass ich so rasend schnell arbeiten kann. Und was für ein Glück, dass hier niemand über mir sitzt, der mir nach dem Motto, was schnell kommt, kann nicht gut sein, alles zerrupft und auseinander nimmt.

Der versprochene Arzt hat sich gemeldet und will sich am Montag Abend mit mir treffen, damit ich ihm erklären kann, was ich will. Nicht im Büro hier, sondern in einem Restaurant. Meinetwegen; wenn er das für nötig hält. Hauptsache, er ist schön brav und verschafft mir, was ich brauche.

Von Mondheim habe ich nichts gehört außer ein paar kurzen Mails mit demselben Inhalt wie das erste, aber er ist auf dem Laufenden und scheint – noch – mit allem einverstanden.

Hoffentlich weiten meine Arbeitsstunden sich jetzt nicht konstant aus. Sonst verdiene ich zwar mehr Geld, habe aber überhaupt keine Zeit, es auszugeben. Das Essen mit dem Arzt plane ich zwar zu bezahlen, aber das kriege ich ja wohl wieder; sind schließlich Spesen.

Das Wochenende verläuft ruhig. Ich bin ziemlich k.o. und ruhe mich viel aus. Dann kommt noch Evelyn vorbei und mischt mich ein wenig auf, und am Sonntag Nachmittag bin ich auf einen Kaffee bei Katrin und Jürgen.

Der Montag wird fast noch anstrengender als Donnerstag und Freitag. Drei geschlagene Stunden bringe ich damit zu, Siebert zu erklären, wie der Kontaktmarkt funktionieren soll. Das endgültige Design kommt später; jetzt soll er erst einmal Funktionalität schaffen. Er mault und meckert und motzt; aber wenn er glaubt, mich durch Zwischenfragen aus dem Konzept bringen zu können, hat er sich getäuscht. Ich bin gut vorbereitet, und ich habe das im Kopf, was er programmieren soll. Ich habe es sogar aufgemalt, aber mit Flussdiagrammen scheint er erstaunlicherweise nichts anfangen zu können. Was ist denn das für ein Programmierer?

Am Ende fällt ihm dann nichts mehr weiter ein, als dass das Teil zu umfangreich sei. Schließlich will ich ja nicht nur das Geschlecht abfragen und den Wohnort, sondern gleich die Neigungen zumindest optional mit einbeziehen. Was hilft mir ein Partner, wenn er zwar in meiner Nähe wohnt, aber nicht die Komplementärneigung zu meiner eigenen hat? Siehe Deinar.

„Ich denke, die Entscheidung über den Umfang überlassen Sie einfach mir,“ erkläre ich hoheitsvoll. „Oder übersteigt eine Programmierung wie die aufgezeigte Ihre Fähigkeiten?“ So, mein Lieber – die Kröte musst du jetzt schlucken. Siebert schluckt tatsächlich, rutscht auf seinem Stuhl herum und überlegt sichtlich, ob er sich mit mir anlegen soll oder nicht. Gerade sinniere ich, ob ich die Trumpfkarte Mondheim schon ziehen muss, da nickt er. „In Ordnung. Ich gehe gleich morgen dran. Es kann aber sein, dass ich noch diverse Rückfragen habe.“

„Selbstverständlich,“ erlaube ich großzügig. „Da ich vom Programmieren so wenig Ahnung habe, kann es schon sein, dass ein paar Probleme auftauchen, die ich nicht bedacht hatte. Aber wir werden das schon zusammen hinkriegen.“

Ich komme mir vor wie ein Schauspieler, der den Vorgesetzten gibt. Autorität ausstrahlen, dabei aber mutig Schwäche zeigen, eine gemeinsame Basis schaffen. Macht man doch so, denke ich. Wie auch immer – es funktioniert. Recht umgänglich verabschiedet Siebert sich.

Er darf ja gerne glauben, dass er der bessere Techniker ist – das können wir ohne jeden Zweifel festhalten und unstreitig stellen; es stimmt einfach. Deshalb soll er mir ja zur Seite stehen. Aber er muss nicht glauben, mich nun mit seinem Computerjargon aus der Ruhe und von meinen Vorstellungen abbringen zu können. Er ist nicht der Überlegene, sondern nur ein Teil eines Teams, das etwas Gemeinsames schaffen soll. Für die Leser sind letztendlich doch die Inhalte das Entscheidende, und die bestimme ich. Wenn er mich leben lässt, werden wir gut miteinander auskommen können, und derzeit sieht es ganz danach aus. Ganz unbeeindruckt ist er von meiner Arbeitsgeschwindigkeit jedenfalls nicht, das habe ich gemerkt.

Nach dem Mittag liegt noch einiges an Papierkram an; Unterschriften, Entscheidungen, Informationen. Die Sekretärin, die das macht, ist ganz nett.

Die ersten positiven Antworten auf meine Bilderanfragen trudeln ein.

Es läuft alles hervorragend – aber es ist verdammt anstrengend, ständig voll konzentriert sein zu müssen. Es ist kein breiter Rücken da, hinter dem ich mich verstecken kann – ich muss alles höchstselbst verantworten, regeln und in die Wege leiten.

Um halb acht muss ich mich gewaltsam von einer Rezension losreißen, die ich noch mal eben schnell fertig stellen wollte. Mist, das reicht nicht einmal mehr zum Umziehen. Hoffentlich ist das Sommerkleid mit Jacke vorzeigefähig für das Lokal, wo ich den Arzt treffen soll. Wenn nicht, kann ich es auch nicht mehr ändern. Am liebsten würde ich jetzt einfach nach Hause fahren, schnell etwas in der Mikrowelle warm machen, es herunterwürgen, ein langes Bad nehmen und im Bett verschwinden, aber das hilft ja nun alles nichts.

Der Herr Doktor – Teermann heißt er übrigens – ist klein und niedlich, und er hat ausgesprochen wache Augen. Ein sympathischer Mensch. Ich habe einen Zettel mitgebracht, was ich alles gern von ihm hätte, und er macht sich Notizen darauf.

„Das meiste steht ohnehin bereits,“ erklärt er mir. „Wissen Sie, ich schäme mich ja fast, es zuzugeben, aber ich hatte einmal den Ehrgeiz, ein neues Handbuch für SM zu verfassen, mit etwas mehr Tiefgang als die, die bereits auf dem Markt sind. Fast ein Jahr lang habe ich auch intensivst daran gearbeitet.“

Na, das passt sich ja hervorragend. Die Fortsetzung ist allerdings ein wenig traurig. „Nun interessieren die meisten Menschen sich allerdings nicht so sehr für die medizinische Seite. Sie ist zwar unabdingbar, aber eigentlich doch eher Nebensache. Deshalb wollte meine damalige Freundin – sie ist Autorin – meine Texte mit persönlichen Erfahrungsberichten und emotionalen Betrachtungen abrunden. Und auch ein wenig zum psychologischen Hintergrund schreiben. Leider ist irgendwann aber unsere Beziehung in die Brüche gegangen, und damit ist das Projekt ins Wasser gefallen.“

Schon entsteht in meinem Kopf ein neuer Plan. „Sie sollten es aber auf jeden Fall nicht ganz aufgeben. Es finden sich doch sicher auch andere, die bereit sind, die mehr alltägliche Seite der verschiedenen Techniken zu erläutern. Wie wäre es denn, wenn wir entweder nur einen Teil der fertigen Kapitel bringen, oder jeweils nur eine Kurzfassung? Und gleichzeitig suchen wir gemeinsam jemanden, der die Arbeit Ihrer Freundin fortsetzt und versuchen, das Buch doch noch herauszubringen.“

Er seufzt. „Wissen Sie, wie schwer das ist, in diesem Bereich einen Verlag zu finden? Die großen Verlage lehnen naserümpfend ab, weil ihnen das Thema zu unanständig ist, und die Szeneverlage sind überrannt und ausgebucht auf Jahre hinaus. Nicht unbedingt mit Qualität – aber doch.“

Ich winke ab. „Das weiß ich schon. Aber unterschätzen Sie Ihre Möglichkeiten nicht. Sie haben doch sicher nicht die Absicht, unter die Spiegel-Bestseller bei Sachbüchern zu kommen, oder?“ Er lächelt. „Sehen Sie – und wenn Ihre Erwartungen realistisch sind, dann können wir ganz sicher etwas auf die Beine stellen. Es wäre doch gelacht, wenn sich im Zirkel selbst oder in seinem Umfeld nicht jemand finden würde, der sich um den Druck kümmert und die Vermarktung mit in die Wege leitet.“ Als ich den Zirkel erwähne, gehen seine Augenbrauchen hoch; dass ich darüber Bescheid weiß, hat Mondheim ihm wohl nicht gesagt. Ich rede weiter, als hätte ich nichts bemerkt. „Das Erstaunliche ist doch, es gibt zwar inzwischen schon einiges an Büchern über SM, rein praktische Ratgeber, aber bis auf das eine von Grimme ist das meiste doch schlicht nicht zu gebrauchen. Die einfachen Übersetzungen der amerikanischen Leitfäden kann man durchweg ganz vergessen. Ich bin sicher, Ihr Buch wird absolut hervorragend. Und bei nur einem Konkurrenten sind die Chancen doch recht gut, dass Sie sich daneben platzieren können. Oder nicht?“

Er scheint zu zweifeln. Ich setze noch eins drauf. „Ich glaube, Sie unterschätzen sich. Wir müssen das ja auch nicht heute Abend entscheiden – aber Sie sollten den Gedanken nicht aus dem Kopf verlieren. Ich will auf keinen Fall, dass wir all Ihre Artikel für das Portal verwenden und damit womöglich den Buchplan vollends zerschlagen. Wenn es das Buch noch geben soll, und ich bin voll dafür, dann müssen wir eine Möglichkeit finden, im Portal zwar dafür zu werben und Ausschnitte zu bringen, aber wir dürfen nicht die ganzen Texte schon veröffentlichen.“

So langsam scheint mein Feuereifer doch auf ihn überzugreifen. „Das wäre kein Problem. Die meisten Abhandlungen haben eine knappe Einführung und werden dann im zweiten Teil spezifisch vertieft.“ „Na super,“ erwidere ich. „Das passt doch alles.“ Nach einem Augenblick Überlegung füge ich hinzu: „Und wissen Sie was – wenn sich sonst niemand findet, helfe ich bei den Ergänzungen.“

Das löst ein kleines Strahlen aus. „Dann wird es ganz bestimmt etwas mit dem Buch. Ich habe schon viel von Ihren schreiberischen Fähigkeiten gehört.“ Ach ja? Wo denn? Oder vielmehr, von wem denn? Nicht dass das eine Rolle spielt.

„Wie sind Sie eigentlich zu diesem Zirkel gekommen?“ lenke ich ab.

Er lacht. „Durch einen geradezu unglaublichen Zufall. Ich habe mit Maibaum zusammen studiert. Leider haben wir den Kontakt zueinander verloren; ich wusste gar nicht, dass er auch hier wohnt. Jedenfalls, eines Tages saß er in meiner Sprechstunde. Wir waren beide ziemlich überrascht. Ein Wort ergab das andere, und weil wir in unseren Studententagen oft auch gemeinsam unterwegs waren, und sozusagen unsere intimsten Geheimnisse miteinander teilten, ergab es sich dann einfach.“

So, so – so geht das also. Eine Bekanntschaft, ein Zufall – und schon sitzt man an den Rädern, die die Welt bewegen. Wenigstens die kleine Welt. Hoffentlich schaffe ich das auch einmal.

Das Essen ist miserabel hier, aber der Abend hat sich insgesamt mehr als gelohnt. Nach einer sehr herzlichen Verabschiedung lande ich endlich auch da, wo es mich schon seit Stunden hinzieht.


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